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Der Wert der Gleichheit

Die größte Gefahr des autoritären Populismus für die liberale Demokratie besteht darin, dass er die politische Gleichheit aller Bürger*innen zu verneinen versucht. Häufig wird die liberale Demokratie mit ihren Institutionen und Verfahren gleichgesetzt. Was die liberale Demokratie im Kern auszeichnet – dass sie ihren Bürger*innen den Status als freie und gleiche Mitglieder des politischen Gemeinwesens gewährt – gerät so manchmal in Vergessenheit. Dabei ist es gerade dieses demokratische Grundprinzip, das autoritäre Populist*innen in Deutschland und darüber hinaus heute angreifen.

Warum die Kanzlerin sich gegen Mehrheiten mithilfe der AfD stellen darf

Das Bundesverfassungsgericht hat gerade darüber mündlich verhandelt, ob die Kanzlerin die Wahl eines Thüringer Ministerpräsidenten mit den Stimmen von CDU, FDP und AfD im Februar 2020 einen „unverzeihlich[en]“ Vorgang nennen durfte, der „rückgängig gemacht werden“ müsse, weil er „mit einer Grundüberzeugung für die CDU“ und auch für sie gebrochen habe, „dass nämlich keine Mehrheiten mit Hilfe der AfD gewonnen werden sollen“. Es scheint keineswegs ausgeschlossen, dass das Gericht in diesen Äußerungen, wenn es sie als amtliche einstuft, einen Verfassungsverstoß sieht. Das zeigt, dass in der Rechtsprechung des BVerfG bislang das Recht zur kommunikativen Verteidigung der Verfassung zu kurz kommt: Die verfassungsrechtlichen Neutralitäts- und Sachlichkeitsgebote dürfen nicht das Recht zur Verfassungstreue relativieren.

Wieviel ist der Verfassung Transparenz im Lobbyismus wert?

„Transparenz ist sicherlich ein hoher Wert, den wir verfolgen, hat aber keinen Verfassungsrang“, behauptete der CDU-Abgeordnete Patrick Schnieder in der Ersten Beratung des Bundestags zum Lobbyregistergesetz (LobbyRG). Er konnte sich auf die Ansicht von zwei der drei hierzu angehörten Sachverständigen aus der Rechtswissenschaft stützen. Die nähere Analyse ergibt jedoch, dass sich die transparente Gestaltung von lobbyistischer Tätigkeit auf das Demokratieprinzip in Art. 20 Abs. 1, 2 GG stützen kann.

Die Demokratie muss immun bleiben

In allen Bereichen des öffentlichen Lebens wurden in den vergangenen Wochen Hygienekonzepte für eine „neue Realität” mit der Corona-Epidemie entwickelt. Das gilt auch für die Verfassungsorgane. So tagte der Deutsche Bundestag in der vergangenen Woche zum wiederholten Mal im Corona-Modus: mit markierten Abständen zwischen den Abgeordneten, aber ansonsten ziemlich normal. Eines Hygienekonzepts bedarf es nun auch für die Vorbereitung und Durchführung der nächsten Bundestagswahl – und das wirft Fragen und Probleme auf, die im Zuge einer Überarbeitung des Wahlrechts vom Bundestag mit Umsicht gehandhabt werden müssen.

EuG-Urteil zur Europäischen Bürgerinitiative: Gut für Bürgerbeteiligung, zu spät für „Stop TTIP“

Am 10. Mai 2017 hat das Europäische Gericht (EuG) eine Entscheidung zur Europäischen Bürgerinitiative (EBI) getroffen, die Grundsatzcharakter hat. Das Urteil stärkt die Bedeutung der EBI und sichert eine weite Auslegung. Und es ermöglicht die frühe Anwendung einer EBI, die bei internationalen Vertragsverhandlungen eine Einflussnahme noch in diesem Stadium gestattet.

Selektoren-Beschluss des BVerfG: Wer Geheimdienst­kontrolle fordert, soll sich die Mehrheit dafür erstreiten

Am 13. Oktober hat das Bundesverfassungsgericht einen Beschluss zum Beweiserhebungsrecht des NSA-Untersuchungsausschusses des Bundestages gefasst. Ich halte die Kritik an diesem Beschluss für falsch. Er schafft kein verfassungssystematisches Problem, sondern ist ein Signal zur Sensibilisierung der Parlamentarier und Wahlberechtigten für die Notwendigkeit einer BND-Reform. Das Gericht plädiert für mehr Demokratie. Insbesondere die Demokratie- und Gewaltenteilungsbegriffe des Grundgesetzes sind als Verfassungsprinzipien facettenreicher und im Ergebnis wohl auch sachgerechter, als sie auf den ersten Blick wirken.

Feinde des Volkes?

"Enemies of the People": So titelt die Daily Mail als Reaktion auf das gestrige Brexit-Urteil des High Court. An dieser Diktion hätte Josef Stalin seine helle Freude gehabt. Aber jenseits solcher 30er-Jahre-Reminiszenzen scheint es mir zu kurz gesprungen, dieses Phänomen allein auf die Verkommenheit der britischen Boulevardpresse und der snotty Tory-Elite zu reduzieren. Da geht etwas Grundlegenderes vor. Und zwar nicht allein im Vereinigten Königreich. Sondern im gesamten westlichen demokratisch-rechtsstaatlichen Verfassungsraum.

Fünfprozenthürde im Grundgesetz: Von wegen Affront

Die Fünfprozenthürde, glaubt man der FAZ, wird jetzt wohl erstmal doch nicht im Grundgesetz selbst verankert und damit karlsruhefest gemacht. Man befürchte, so heißt es, dass ein solcher Schritt als „Affront des Bundestages gegen das Bundesverfassungsgericht“ gewertet werden könnte. Wieso wäre das ein Affront? Nach allem, was in punkto Wahlrecht zwischen Karlsruhe in Berlin in den letzten Monaten und Jahren so alles vorgefallen ist, scheint die Antwort auf der Hand zu liegen: erst das Versäumnis, das von Karlsruhe monierte Problem mit dem negativen Stimmgewicht fristgemäß aus der Welt zu schaffen. Dann die Einführung der Dreiprozenthürde anstelle der von Karlsruhe für ... continue reading