Articles for tag: EGMREMRKFamilieReligionsfreiheit

Mehr Freiheit für das klerikale Liebesleben

Passend zum Juristentag hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte heute zwei Urteile gefällt, die das Thema Staat und Religion im Kern betreffen. Wie verhält sich die Autonomie der Religionsgemeinschaften, ihre inneren Angelegenheiten selbst zu regeln, zu den Grundrechten der Religionsangehörigen, die von diesen Regelungen betroffen sind? Oder konkret: Darf eine Kirche, die das Sakrament der Ehe predigt, einen Angestellten feuern, wenn der die Ehe bricht? Im einen Fall ging es um den Pressesprecher der Mormonenkirche, der eine Affäre angefangen und dies gebeichtet hatte und daraufhin seinen Job verlor. Im anderen hatte ein katholischer Organist, lange nachdem er sich von seiner ... continue reading

Pyrrhus-Niederlage bei der Homo-Ehe

Wenn es so etwas gäbe wie eine Pyrrhus-Niederlage – das heutige Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zur Homo-Ehe wäre eine. Der EGMR hat sich zwar nicht dazu entschließen können, ein Recht auf Eheschließung für homosexuelle Paare anzuerkennen. Aber die Straßburger Richter haben etwas anderes getan: Sie haben anerkannt, dass das Recht auf Familienleben auch homosexuelle Lebenspartnerschaften einschließt. Das heißt, dass es jedenfalls im Prinzip eine verbotene Diskriminierung von Homosexuellen ist, solchen Lebenspartnerschaften die rechtliche Anerkennung zu verwehren. Das ist doch schon mal was. Darauf kann man aufbauen. Eat this, Russia! So, dies vorausgeschickt kann ich jetzt zu meckern ... continue reading

Strich im Zeugnis statt Religionsnote verletzt negative Glaubensfreiheit

Ein Strich im Zeugnis, wo bei anderen die Religionsnote steht, verletzt die negative Glaubensfreiheit. Zu diesem Schluss kommt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in seinem jüngsten Urteil zum derzeit offenbar wieder sehr aktuellen Thema Religion und Klassenzimmer. Der Fall spielt im streng katholischen Polen: Ein Kind von Agnostikern bekam in der Grundschule keinen Ethikunterricht angeboten, weil er offenbar der einzige war, der daran teilgenommen hätte. Während die anderen in den katholischen Religionsunterricht gingen, musste er alleine die Zeit herumbringen. Die Frage der Benotung im Zeugnis löste man so, dass im Feld „Religion/Ethik“ einfach ein Strich stand. Dieser Strich ist ... continue reading

Menschenrechte am Hindukusch: Was, wenn die in Straßburg klagen?

Soldaten aus Europa verteidigen Demokratie und Menschenrechte seit längerer Zeit am Hindukusch und in anderen von Europa aus gesehen entlegenen Regionen. Dabei kommen bekanntlich immer wieder mal Menschen auf eine Weise ums Leben, die mit den universellen Menschenrechten, sagen wir mal, nur unter heftigen Verbiegungen in Einklang zu bringen sind. Und manchmal nicht mal dann. Was passiert, wenn diese Menschen bzw. ihre Angehörige ihre Menschenrechte vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg einklagen? Mal von den politischen Implikationen abgesehen – kann es Aufgabe des EGMR sein, den Afghanistan-Konflikt und die Rolle der europäischen Soldaten darin zu mikromanagen? Wenn nein, ... continue reading

Noch ein EGMR-Urteil zur Religionsfreiheit: Auf die Bibel schwören oder nicht?

It’s Kruzifix-Urteil all over: Das Thema Staat und Religion ist ganz groß zur Zeit, und man könnte den Eindruck gewinnen, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte alles tut, damit das so bleibt. In seiner jüngsten Entscheidung Dimitras wendet sich der EGMR gegen die griechische Regelung im Strafprozessrecht, in Gerichtssälen auf die Bibel schwören zu lassen. Bei näherem Hinsehen ist diese Entscheidung aber kein Zeichen laizistischen Eiferertums: Die Straßburger Kammer kommt zu dem Schluss, dass diese Regelung gegen die Glaubensfreiheit verstößt, nicht weil da eine Bibel im Spiel ist, sondern weil man, wenn man ohne Bibel schwören will, erklären muss, warum. ... continue reading

Ist Deutschland zu nett zu Folterknechten?

Der Kindermörder Magnus Gäfgen wird von der deutschen Justiz unmenschlich behandelt. Er ist Opfer eines Verstoßes gegen Art. 3 EMRK, das Folter und unmenschliche Strafen verbietet. Die beiden Polizisten, die ihn bedroht hatten, um das Leben seines Opfers zu retten, seien nicht hart genug bestraft worden. So die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte heute. Die Bildzeitungs-Schlagzeile morgen will ich mir mal lieber nicht vorstellen. Folterverbot ohne Notstands-Vorbehalt In wünschenswerter Klarheit hat der EGMR klargestellt, dass es keine Ausnahme vom Folterverbot gibt, keine Interessenabwägung, keine Berufung auf einen noch so drastischen Notstand. Weder die Rettung von Menschenleben noch Volk ... continue reading

Geistige Behinderung ist kein Grund für Wahlrechtsausschluss

Menschen mit geistiger Behinderung dürfen nicht pauschal vom Wahlrecht ausgeschlossen werden. Das geht aus einem gestern veröffentlichten Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) hervor. Das Urteil betrifft Ungarn: Wer dort unter Betreuung steht, darf nicht wählen gehen. So steht es in Art. 70 II der ungarischen Verfassung. Ein Manisch-Depressiver hatte dagegen den EGMR angerufen. Die Straßburger Richter gaben ihm Recht: Zu bestimmen, ab wann jemand zur Ausübung seines Wahlrechts nicht mehr in der Lage ist, sei zwar in weitem Umfang Ermessenssache des nationalen Gesetzgebers. Aber die Regelung in der ungarischen Verfassung geht ihnen entschieden zu weit. Sie gelte auch ... continue reading

Partisanen als Kriegsverbrecher

Gab es schon vor den Nürnberger Prozessen eine völkerrechtliche Basis dafür, Individuen wegen Kriegsverbrechen zu bestrafen? Die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) bejaht diese Frage in ihrem gestrigen Urteil Kononov bemerkenswert umfassend und treibt damit die Russen auf die Barrikaden („Strasbourg sides with Nazis“). In dem Fall geht es um ein lettisches Urteil gegen den früheren Partisanenführer und Offizier der Roten Armee Wassili Kononow. Dessen Einheit hatte im Mai 1944 neun lettische Zivilisten, die er verdächtigte, andere Partisanen an die Wehrmacht verraten zu haben, auf barbarische Weise umgebracht. Nach Ansicht der Großen Kammer war auch 1944 schon ... continue reading

EGMR stärkt Diskriminierungsschutz für Homosexuelle

Schwulen und lesbischen Paaren Rechte vorzuenthalten, die Hetero-Paare genießen, verletzt im Regelfall die Europäische Menschenrechtskonvention. Das Argument, das sei zum gebotenen Schutz der klassischen Ehe halt nötig, leuchtet niemandem mehr ein – auch nicht dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg, wie das letzte Woche ergangene Urteil Kozak vs. Polen zeigt. Herr Kozak wollte nach dem Tod seines Partners dessen Wohnung übernehmen. Dabei war allerhand strittig, aber am Ende bekam er die Wohnung nicht, weil die Gerichte fanden, die (inzwischen korrigierte) Anspruchsgrundlage auf Übernahme des Mietvertrages gelte nur für eheähnliche Paare – also nur für Heteros. Mag sein, sagt ... continue reading

Lebenslang ist nicht unmenschlich

Das deutsche Strafrecht ist menschenrechtskonform. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat die Klage eines Dreifach-Mörders zurückgewiesen, der mehr als 20 Jahre nach seiner Verurteilung in einem deutschen Gefängnis einsitzt und offenbar wenig Aussicht hat, jemals freizukommen. Da dabei dennoch eine Überprüfung rechtlich möglich sei, liege keine Verletzung von Art 3 EMRK („Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden“) vor, so der EGMR laut Pressemitteilung.