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Handlungsbedarf im Gefahrenabwehrrecht

Mit einem Beschluss vom 9. Dezember 2022, bekannt geworden am 3. Februar 2023, hat das Bundesverfassungsgericht verschiedene Vorschriften des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes von Mecklenburg-Vorpommern für verfassungswidrig und nichtig bzw. (jedenfalls) unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt. Im Ausgangspunkt erfasst die Entscheidung allein Regelungen des Landesrechts eines einzelnen Bundeslandes. Jedoch ergeben sich Folgefragen und ‑probleme auch für andere (landes-) gesetzliche Regelungen, zumal schon die Vorgaben aus der vorangegangenen Entscheidung zum BKA-Gesetz aus dem Jahre 2016 bislang nicht überall und durchgängig umgesetzt worden sind.

Jenseits der Oligarchen

Die von der Europäischen Union beschlossenen Russland-Sanktionen haben auch in Deutschland erhebliche Defizite bei deren Umsetzung offengelegt. Mit dem Ersten Gesetz zur effektiveren Durchsetzung von Sanktionen vom 23. Mai 2022 sollen in einem ersten Schritt vor allem kurzfristig behebbare Lücken beim Auffinden sanktionierten Vermögens geschlossen werden. Es erscheint nicht übertrieben, das Gesetz als Beginn einer weitreichenden Veränderung des deutschen Sicherheitsrechts zu begreifen. Doch obwohl die Stoßrichtung des Sanktionsdurchsetzungsgesetzes im Grundsatz zu begrüßen ist, mangelt es dem Gesetz an einer klaren strategischen Zielsetzung und einem rechtlich stimmigen Regelungskonzept.

Versammeln unter Aufsicht

Die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen prischt mit einem eigenen Versammlungsgesetz vor. Der Gesetzesentwurf ist tief von einem polizeilichen Trauma im Kontext der Proteste gegen den Braunkohleabbau und die Energiepolitik geprägt. Der Ansatz von Innenminister Reul, die seit der Brokdorf-Entscheidung des BVerfG etablierten Grundsätze eines mit Art. 8 GG kompatiblen Versammlungsrechts „auch in anderen Zusammenhängen einmal auf den Prüfstand“ zu stellen, trug offenbar in der Regierungskoalition Früchte.

Haftung auf Umwegen

In einem fleischverarbeitenden Betrieb sowie dessen Umfeld in Rheda-Wiedenbrück stiegen die Infektionen mit COVID-19 vor kurzem explosionsartig an. Auch weil es in den Unternehmen womöglich zu Verstößen gegen Corona-Auflagen kam, kündigten mehrere Politiker an prüfen zu lassen, ob das Unternehmen herangezogen werden könne, um für die verursachten Kosten aufzukommen. Während sich die Haftung eines Unternehmens gegenüber Privaten durchaus begründen lässt, sieht es im öffentlichen Recht anders aus: Die eher unelastischen Vorschriften namentlich des Gefahrenabwehrrechts stoßen hier schnell an Grenzen, und es zeigt sich, dass das öffentliche Recht auf solche Konstellationen nicht vorbereitet ist.

Polizeigebühren dürfen nicht den Grundrechts­gebrauch beeinträchtigen!

Im September 2019 hat das Bundesministerium des Innern weitgehend unbemerkt von der (Fach-)Öffentlichkeit die „Besondere Gebührenverordnung BMI“ (BMIBGebV) erlassen. Folge ist, dass der Kontakt mit der Bundespolizei nun in einigen Fällen teuer werden kann. Dabei sind sowohl die Verordnung als auch die Verordnungsermächtigung im Bundesgebührengesetz grundrechtlich nicht ausreichend klar begrenzt.

Karlsruhe gegen Komasaufen

Jugendliche mit Alkoholvergiftung sind eine üble Sache, und ein großes Boulevard-Thema obendrein, und das ist wohl der Grund, warum es dem Bundesverfassungsgericht jetzt schon zum zweiten Mal in diesem Jahr eine Pressemitteilung wert ist, dass das baden-württembergische Verbot des nächtlichen Alkoholverkaufs nicht verfassungswidrig ist. In Baden-Württemberg darf von 22 bis 5 Uhr in Läden kein Alkohol verkauft werden. Im Juli war der Kläger ein trinkfester Kunde, der seine allgemeine Handlungsfreiheit durch das Verbot beschnitten sah. Jetzt geht es um die Berufsfreiheit einer Tankstellenpächterin. Die hat auch kein Glück, aber zur Begründung des Nichtannahmebeschlusses holt die 2. Kammer des Ersten Senats ... continue reading

Sicherungsverwahrung: Einsperren, aber nicht bestrafen

Der Kompromiss zur Sicherungsverwahrung ist fertig – und offenbar hat sich die Streiterei gelohnt. Die Idee, gefährliche Verbrecher, die ihre Strafe abgebüßt haben, in geschlossenen Anstalten unterzubringen, trifft den Kern des Problems, und der ist die mit dem Konzept der Sicherungsverwahrung implizierte Vermengung von Strafvollzug und Gefahrenabwehr. Die Leute dürfen einerseits nicht frei herumlaufen, weil sie zu gefährlich sind. Andererseits gehören sie nicht ins Gefängnis, weil es nichts gibt, wofür man eine Gefängnisstrafe gegen sie verhängen könnte. Das ist das Dilemma. Also sperrt man sie ein, aber eben nicht in ein Gefängnis. Damit müsste man, was die Altfälle betrifft, den ... continue reading

Der Bundesrat, mein am wenigsten geliebtes Verfassungsorgan

Der Bundesrat hat kurz vor Ostern zum ersten Mal von einer wichtigen neuen Lissabon-Errungenschaft Gebrauch gemacht: Seinem blitzeblanken neuen Recht nämlich, angebliche Verletzungen des Subsidiaritätsprinzips durch geplante EU-Rechtsakte zu rügen. Die Länderkammer hat sich dafür die geplante EU-Richtlinie zur Schutzanordnung ausgesucht. Dabei geht es um Opfer von Straftaten, die ihre Peiniger mit gerichtlichen Verfügungen auf Abstand halten, um nicht erneut zum Opfer gemacht zu werden – Musterfall ist die verprügelte Ehefrau, die ihren gewalttätigen Mann daran hindern will, ihr erneut zu nahe zu kommen. Solche Schutzanordnungen gibt es überall, aber sie gelten nur im jeweiligen Mitgliedsstaat. Wenn die Ehefrau im ... continue reading