Articles for tag: HaushaltsrechtNachtragshaushaltSchuldenbremse

Das Ende der Großzügigkeit

Das Zweite Nachtragshaushaltsgesetz 2021 ist mit dem Grundgesetz unvereinbar und nichtig. Das hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts heute in einem wegweisenden Urteil festgestellt. Das Gericht hat das Nachtragshaushaltsgesetz 2021 überzeugend aus drei Gründen für nichtig erklärt. Erstens ist der Veranlassungszusammenhang zwischen der Neuverschuldung und daraus zu finanzierenden Maßnahmen nicht hinreichend dargelegt und begründet worden, zweitens stehen die Haushaltsgrundsätze der Jährlichkeit, Jährigkeit und Fälligkeit der faktisch unbeschränkten Übertragung von Kreditermächtigungen auf kommende Haushaltsjahre entgegen und drittens können Nachtragshaushalte nicht rückwirkend erlassen werden.

Notkredite immer und überall?

Spätestens seit der Corona-Krise und den damit verbundenen Haushaltspaketen von Bazooka bis Booster scheinen großangelegte Investitionsprogramme zum (haushalts-)politischen Alltag zu gehören. Zur Bewältigung kostspieliger Aufgaben entdeckten zunächst der Bund und nunmehr die Länder neue Instrumente für sich, um sich trotz der bestehenden Schuldenbremse Zugang zu Krediten zu verschaffen. Letzte Woche ist auf diesem Blog ein Beitrag von Joachim Wieland erschienen, der die Ansicht vertritt, die Klimakrise sei eine derartige Ausnahmesituation. Auch wenn diese Auffassung vom Ergebnis her wünschenswert erscheint, ist die finanzverfassungsrechtliche Legitimität entsprechender Notkredite auf Landesebene zumindest zweifelhaft.

Gnadenfrist aus Karlsruhe

Das Bundesverfassungsgericht hat einen Eilantrag der Unionsfraktion gegen den Zweiten Nachtragshaushalt 2021 mit Beschluss vom 22.11.2022 abgelehnt. Wichtiger als der Nachtragshaushalt ist, dass mit diesem Verfahren mehr als ein Jahrzehnt nach Verabschiedung der Schuldenbremse dessen Regelungen endlich höchstrichterliche Konturen erhalten. Damit wird hoffentlich Rechtssicherheit in einem Gebiet einkehren, dass in den letzten Jahren durch Versuche von Regierungen aller Parteien geprägt war, die neuen Schuldenregeln so weit zu dehnen, wie es verfassungsrechtlich gerade noch zulässig ist ‒ oder eben nicht mehr.

Mehr Fortschritt wagen in der Stiftungsfinanzierung

Das beim Bundesverfassungsgericht anhängige Verfahren zur staatlichen Finanzierung der Desiderius-Erasmus-Stiftung belebt erneut die Forderung nach einem förmlichen Parlamentsgesetz zur Regelung der staatlichen Förderung der parteinahen Stiftungen. Dass ein solches Gesetz verfassungsrechtlich notwendig ist, ist jedenfalls innerhalb der Rechtswissenschaft seit Langem unstreitig – unabhängig von dem AfD-Kontext, der für die abermalige Virulenz des Themas sorgt. Das österreichische Publizistikförderungsgesetz (PubFG), könnte für den deutschen Gesetzgeber im Grundsatz ein legistisches Vorbild sein. Für den Umgang mit der Desiderius-Erasmus-Stiftung müssten allerdings zusätzliche Regelungen gefunden werden.

Karlsruhe lässt Landtage abblitzen

Landtage sind im Regelfall eine ziemlich trübe Sache. Es passiert nicht viel von Relevanz in den Landesparlamenten, schon deshalb nicht, weil die Länder nur noch wenig substanzielle Gesetzgebungskompetenzen besitzen. Die Macht liegt bei der Regierung, die über die Exekutive befiehlt und über den Bundesrat in der großen Politik mitmischt. Das wird gelegentlich, wenn auch selten mit großer Leidenschaft, als föderaler und demokratischer Missstand bejammert: Schließlich sind die Parlamente doch am unmittelbarsten demokratisch legitimiert, womit ihre politische Bedeutungslosigkeit schlecht vereinbar zu sein scheint. Aber wenn die Landtagsabgeordneten geglaubt haben sollten, im Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts auf Sympathie für ihr Elend zu ... continue reading

EuGH diszipliniert Karlsruher Ersatz-Gesetzgeber

Das Bundesverfassungsgericht kann ja gerne Übergangsfristen einräumen, wenn es findet, dass ein verfassungswidriger Zustand aus irgendwelchen übergeordneten Gründen noch eine Weile fortbestehen soll. Aber wenn dieser Zustand auch noch europarechtswidrig ist, dann muss er aufhören. Sofort. Nicht irgendwann später. Das ist die Ansage des heutigen Urteils des Europäischen Gerichtshofs zum Glücksspielmonopol. Sie richtet sich zum einen an die Länder, die ihr Monopol weiter mit Zähnen und Klauen gegen private Wettbewerber verteidigen. Sie richtet sich zum anderen an das Bundesverfassungsgericht: Eure Sitten, rechtswidrige Regelungen aus Nützlichkeitserwägungen heraus übergangsweise am Leben zu lassen, so lautet die Botschaft, teilen wir nicht. Das Bundesverfassungsgericht ... continue reading