Articles for tag: JustizPrivatsphäreRichterrechtSupreme CourtUnternehmenUSA

Unternehmen haben keine Privatsphäre

Ein Telefonkonzern kann sich nicht nackig machen. Weshalb es nur konsequent ist, dass der US Supreme Court dem Telefonriesen AT&T gestern das Recht absprach, sich gegenüber dem Freedom of Information Act auf „personal privacy“ zu berufen. Das hatte AT&T versucht mit dem Argument, schließlich sei das Unternehmen eine juristische Person, also müsse es doch auch „personal“ privacy genießen dürfen. Das einstimmige Votum aus der Feder von Chief Justice John Roberts dreht sich ausschließlich um die Frage, wie die Worte „person“ und „personal“ zusammenhängen. Roberts‘ Argumente als juristisch zu bezeichnen, fällt mir schwer: Adjectives typically reflect the meaning of corresponding nouns, ... continue reading

Scheidungsunterhalt: Quod licet BVerfG non licet BGH

An so einem Tag fällt es mir etwas schwer, mich auf Fragen des nachehelichen Unterhalts zu konzentrieren, aber der Verfassungsblogger ist von eiserner Disziplin, zumal das heutige BVerfG-Urteil tatsächlich ein ziemlicher Hammer ist. Ich mach es kurz, damit ich wieder Al-Jazeera kucken gehen kann: Die roten Roben vom Schlossbezirk haben den purpurnen Roben aus der Herrenstraße tüchtig einen eingeschenkt und sie der verfassungswidrigen Anmaßung gesetzgeberischer Kompetenzen geziehen. Das kommt nicht oft vor, selbst zwischen diesen beiden Institutionen, die eine lange und wechselvolle Geschichte des gegenseitigen Sichstreitigmachens der Rolle als Gericht Nr. 1 im Staate miteinander verbindet, und wird das Karlsruher ... continue reading

Geistiges Eigentum: BVerfG-Linie wird bindend

Jetzt ist es amtlich: Die BGH-Rechtsprechung, wonach auf Drucker und Plotter keine urheberrechtliche Geräteabgabe anfällt, ist mit dem Grundrecht auf Eigentum nicht in Einklang zu bringen. So die 2. Kammer des Ersten Senats des BVerfG in einer Reihe von heute veröffentlichten Beschlüssen. Das war zwar eigentlich schon seit dem BVerfG-Beschluss vom August klar, in dem die Kammer bereits in extenso ausgeführt hatte, was sie von der BGH-Linie und ihrem Verhältnis zum Eigentumsschutz aus Art. 14 GG hält. Das war aber alles, da das Ergebnis der Entscheidung auf ganz anderen Gründen beruhte, obiter dictum gewesen und damit rechtlich nicht verbindlich. Theoretisch ... continue reading

Mellinghoff als nächster BFH-Präsident?

Wie man hört, soll Rudolf Mellinghoff, Richter am BVerfG, den Spitzenposten im obersten deutschen Finanzgericht übernehmen. Die Sache sei noch nicht ganz entschieden, aber es laufe auf ihn zu. Damit würde schon wieder in Karlsruhe ein Posten frei. Der Post-Lissabon-Umbau des Zweiten Senats könnte weitergehen. Mellinghoffs Amtszeit endet regulär im Januar 2013. Aber der amtierende BFH-Präsident Wolfgang Spindler wird, wenn ich mich nicht verrechnet habe, nächstes Jahr 65. Also könnten wir uns schon 2011 auf eine weitere Karlsruhe-Personalie freuen. Mellinghoff kommt vom Bundesfinanzhof, insofern macht das schon Sinn. Und er wird bestimmt die von Spindler begründete Tradition weiterführen, mit großer ... continue reading

Baer, Huber, Hermanns

Und dann begrüßt der Verfassungsblog natürlich die heute frisch gewählten drei neuen Verfassungsrichterinnen und -richter: Monika Hermanns, bislang Richterin am BGH, rückt im Zweiten Senat an die Stelle von Lerke Osterloh. Den Posten von Siegfried Broß übernimmt der Staatsrechtslehrer und Thüringer Innenminister Peter M. Huber. Und im Ersten Senat wird künftig statt Brun-Otto Bryde die Berliner Staatsrechtslehrerin Susanne Baer, she of the Gender Kompetenzzentrum, am Richtertisch Platz nehmen. Herzlich Willkommen!

Profs und Richter – wie Hund und Katz

Dass Wissenschaft und Oberstes Gericht überkreuz liegen, kommt auch hier zu Lande vor. Nach dem Lissabon-Urteil gab es manches aus staats- oder europarechtswissenschaftlichem Munde zu hören und zu lesen, das in Karlsruhe die Ohren zum Glühen und die Hälse zum Schwellen gebracht haben dürfte. Aber wie ein richtiger Clash zwischen Akademie und Justiz aussieht, kann man derzeit in den Philippinen studieren. Dort hatte der Supreme Court ein Urteil über die Rechte von im II. Weltkrieg sexuell versklavten Frauen gefällt und dabei offenbar derart hanebüchenen Unsinn über internationales Recht und die Position der Wissenschaft dazu in die Begründung hineingeschrieben, dass diese ... continue reading

Ist ein Kreuz auf dem Gerichtsflur verfassungskonform?

Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat es für eine geschmackvolle Idee gehalten, den 20. Jahrestag der Wiedervereinigung mit der Aufhängung eines Kreuzes aus Draht zu feiern. War das klug? Nein. Ein Gericht, noch dazu eins, das sich zu keinem geringen Teil mit ausländer- und asylrechtlichen Verfahren befasst, sollte jeden Eindruck weltanschaulicher Voreingenommenheit vermeiden. War das verfassungswidrig? Na, weiß nicht. Das Kreuz hängt nicht im Gerichtssaal. Niemand ist gezwungen, „unter dem Kreuz“ über seine Sache zu verhandeln. Es hängt im Flur. (Wenngleich offenbar an prominenter Stelle.) BVerfG und EGMR Auch im Kruzifixurteil von 1995 hat das BVerfG betont, dass es auf die Dauer ... continue reading

Vier Jahre Sozialgerichtsstreit ist zu lang

Aus Karlsruhe eine neue Kammerentscheidung zur überlangen Verfahrensdauer – passend zum aktuellen Gesetzgebungsverfahren: Einen Kläger über Jahre auf seine mündliche Verhandlung warten zu lassen, von deren Ausgang sein Krankenversicherungsstatus abhängt, einfach nur, weil sonst so furchtbar viel zu tun ist – das geht nicht. Schon gar nicht, wenn das offenbar System hat: (…) die betroffene Kammer schiebt offenbar schon über Jahre hin einen Verfahrensberg vor sich her mit der Folge, dass ein Verfahren durchschnittlich nach etwa vier Jahren zur Verhandlung kommt, wie sich etwa der Sachstandsmitteilung des Gerichts vom 25. September 2008 entnehmen lässt, wonach im September 2008 Klagen aus ... continue reading

Eigentumsschutz für „digitale Vorlagen“

Richterliche Zurückhaltung ist eine Zier. Sie zeugt von Respekt vor dem demokratisch gewählten Gesetzgeber und umsichtiger Kenntnis der eigenen, prekär legitimierten politischen Macht. Sie ist das Gegengewicht zu der Befugnis der Justiz, die Entscheidungen des Gesetzgebers nötigenfalls zu korrigieren. Das Bundesverfassungsgericht ist nicht dafür bekannt, in dieser Hinsicht besonders zimperlich zu sein. Neu ist aber, dass es jetzt auch andere oberste Bundesgerichte in bemerkenswert schroffem Ton auffordert, es ihm gleichzutun. Der heute veröffentlichte Kammerbeschluss zur urheberrechtlichen Geräteabgabe haut dem I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs seine Rechtsprechung zur so genannten Geräteabgabe mit einer Brutalität um die Ohren, die ihresgleichen sucht. Dessen viel ... continue reading

EU-Generalanwalt zerrupft die nationale Staatsbürgerschaft

Die heutigen Schlussanträge zur Öffnung des Notarberufs für EU-Ausländer von Generalanwalt Cruz Villalón sind in zweierlei Hinsicht bemerkenswert: Erstens zeichnet sich ab, dass der EuGH zum ersten Mal positiv bejahen könnte, dass es tatsächlich so etwas wie eine Tätigkeit i.S.v. Art. 51 AEUV gibt, die „mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden“ und daher von der Bindung an die Niederlassungsfreiheit befreit ist. Mit anderen Worten (so könnte man meinen): Bestimmte staatsnahe Tätigkeiten können die Mitgliedsstaaten in aller Ruhe für ihre eigenen Leuten reservieren, ohne Rücksicht auf EU-ausländische Bewerber. Zweitens zeichnet sich ab, dass das aber MITNICHTEN heißt, dass die Mitgliedsstaaten diese ... continue reading