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Not a Disaster, but a Missed Opportunity

Following lengthy negotiations within Germany’s coalition government, on 26 April 2024, the Bundestag passed an amendment to the Federal Climate Protection Act. One part of the amendment in particular has drawn sharp criticism from environmental NGOs, experts, and commentators: the abolition of annual, sector-based targets for greenhouse gas emissions reduction, which form the basis of the obligation for ministries to submit ‘immediate action programmes’ (Sofortprogramme). We argue that many critics overestimated the effectiveness of the Sofortprogramm mechanism, as enshrined in the original version of the KSG, in enforcing Germany's ambitious climate targets. Instead, we must realistically assess the potential, and limits, of institutional design to deliver ambitious climate policy.

Eine vertane Chance, aber keine Katastrophe

Nach langen Verhandlungen innerhalb der Ampel-Koalition hat der Bundestag am 26. April 2024 eine Novelle des Bundes-Klimaschutzgesetzes (KSG) beschlossen. Teils harte Kritik von Umweltverbänden, Expert*innen und Kommentator*innen hat sich insbesondere an der Abschaffung der jahressscharfen Sektorziele als Grundlage für die gesetzliche Pflicht zur Vorlage von Sofortprogrammen entzündet. Wir argumentieren, dass viele Kritiker*innen die Wirksamkeit des alten KSG-Mechanismus für die Durchsetzung der ambitionierten deutschen Klimaziele überschätzen. Eine realistische Einschätzung der Möglichkeiten und Grenzen institutioneller Regelungen zur Durchsetzung ambitionierter Klimapolitik legt stattdessen nahe, dass mit der Novelle einerseits eine Reihe von graduellen und potentiell wirksamen Reformen eingeführt wurden, andererseits aber auch Chancen zur Verbesserung ungenutzt bleiben.

Umweltverfassung in Aktion

Dass der Klimabeschluss des Bundesverfassungsgerichts Auswirkungen auf das Recht weit über seine konkrete Regelungswirkung hinaus hat, zeigt sich u.a. im aktuellen Doppelurteil des OVG Berlin-Brandenburg zur Verpflichtung der Bundesregierung, Sofortprogramme für die Sektoren Gebäude und Verkehr nach § 8 Klimaschutzgesetz (KSG) vorzulegen. Das OVG hat sich darin mit einer Reihe von umweltrechtlichen Problemstellungen in Zulässigkeit und Begründetheit befasst.

Rechtsbruch im Klimaschutz

Heute hat der 11. Senat des OVG Berlin-Brandenburg die Bundesregierung dazu verurteilt, ein Sofortprogramm für den Klimaschutz gem. § 8 Abs. 2 S. 1, S. 2 i.V.m. § 8 Abs. 1 Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) zu erlassen. Wieder braucht es ein Gericht, damit gesetzlich vorgeschriebene Klimaschutzmaßnahmen auch ergriffen werden. Und dies, obwohl eine Klage auf Erlass des Programms im Gesetz eigentlich gar nicht vorgesehen ist. Das Urteil schafft damit einen ebenso wichtigen wie überfälligen justiziablen Mechanismus für eine effektive Nachsteuerung bei Zielverfehlungen im Klimaschutz. Auch wenn im Lichte der anstehenden KSG-Novelle unklar ist, ob das Urteil tatsächliche Wirkungen entfalten wird, setzt es ein wichtiges Signal für mehr Rechtsdurchsetzung im Klimaschutzrecht.

Schwach, aber rechtmäßig

Die Bundesregierung plant eine Änderung des Klimaschutzgesetzes (KSG), in der es vor allem auch um eine Modifikation der bisherigen Regelungen zu den Sektorenzielen geht. Die vorgesehene Änderung hat erhebliche Kritik ausgelöst. Der Aufruf „Für eine völker- und verfassungsrechtskonforme Klimaschutzpolitik“ vom 31.8.2023 fordert die gesetzgebenden Organe des Bundes auf, die Klimaziele nicht abzuschwächen, und nimmt dabei wie viele andere Stellungnahmen auch auf den Klimabeschluss des BVerfG von 2021 Bezug. Dass die politische Kritik an einer Abschwächung des Klimaschutzgesetzes verfassungsrechtlich mit dem Klimabeschluss des BVerfG abgestützt werden kann, ist allerdings keineswegs so eindeutig, wie es in zahlreichen aktuellen Stellungnahmen zu dem Thema aufscheint. Denn auch nach dem Klimabeschluss sind gewisse Modifikationen und Abschwächungen der Einzelregelungen des Klimakonzepts durchaus zulässig.

Für eine völker- und verfassungsrechtskonforme Klimaschutzpolitik

"Vor diesem Hintergrund fordern wir als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Verfassungs- und Völkerrechts die gesetzgebenden Organe des Bundes auf, das Klimaschutzgesetz nicht abzuschwächen. Wir fordern die Bundesregierung auf, ein effektives Klimaschutzprogramm mit ausreichenden Maßnahmen zur Einhaltung der Klimaschutzziele und damit der völker- und verfassungsrechtlichen Verpflichtungen zu beschließen."

Schiff mit Schlagseite

Zur Umsetzung der Ergebnisse des Koalitionsbeschlusses aus dem März hat das Bundeskabinett am 21. Juni 2023 das parlamentarische Verfahren zur Novelle des Bundes-Klimaschutzgesetzes eingeleitet. Die von der Bundesregierung vorgelegten Änderungen werden zentrale rechtliche Mechanismen zur Einhaltung der Klimaziele deutlich abschwächen. Das ist nicht nur klimapolitisch, sondern auch verfassungsrechtlich bedenklich.  Denn es erhöht die Gefahr, dass die Klimaziele verfehlt und sowohl das verfassungsrechtliche Klimaschutzgebot als auch das Gebot intertemporaler Freiheitssicherung verletzt werden. 

Viel Grau, wenig Grün

Der Koalitionsausschuss hat sich letzte Woche auf eine „Weiterentwicklung“ des Klimaschutzgesetzes sowie auf die Festschreibung eines „überragenden öffentlichen Interesses“ zur Beschleunigung zahlreicher Autobahnprojekte geeinigt. Beschleunigt werden soll aber auch im Bereich des Naturschutzes. Allerdings ist fragwürdig, ob mit den vorgeschlagenen Maßnahmen nur das Tempo bei der Umsetzung verschiedener Infrastrukturvorhaben auf Kosten der Natur erhöht wird, oder ob damit – wie auf dem Papier angestrebt – auch eine echte Effektivierung des Naturschutzes einhergehen kann. Bislang setzen die Reformvorschläge der Koalition auf möglichst wenig Konfrontation mit konkurrierenden Flächenansprüchen – damit wird sich ein effektiver Schutz der Biodiversität nicht erreichen lassen.

Vorwärts in die klimapolitische Vergangenheit

Seit einiger Zeit ist bekannt, dass die FDP die Rechtsverbindlichkeit der sektorspezifischen Klimaziele im Klimaschutzgesetz gerne abschaffen würde. Mit dieser Forderung scheint sie sich auf dem Koalitionsgipfel nun durchgesetzt zu haben. Zwar wurden im Gegenzug einige konkrete Klimaschutzmaßnahmen vereinbart, doch damit wird aus Klimaschutzperspektive ein Ass im Ärmel gegen einen Spatzen in der Hand getauscht. Die Aufweichung des Klimaschutzgesetzes ist nicht nur ein fataler Fehler, sondern zudem möglicherweise verfassungswidrig.

Niemand steht über dem (Klimaschutz-)Gesetz

Weil die Regierung trotz Zielverfehlung noch immer kein Klimaschutz-Sofortprogramm verabschiedet hat, klagt der Umweltverband Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND) nun vor dem OVG Berlin-Brandenburg auf Beschluss eines solchen. Die Klage gibt Anlass für eine nähere Betrachtung der rechtlichen Pflichten, die das Klimaschutzgesetz (KSG) für den Fall einer Zielverfehlung auferlegt.