Articles for tag: MenschenwürdeWerte

Die Sache mit der Menschenwürde

Im ersten Absatz des ersten Artikels des Grundgesetzes steht das bundesrepublikanische Glaubensbekenntnis: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Kein anderer Satz ist in Deutschland derart demonstrativ konsensfähig, kein anderer Satz bedient derart das deutsche Bedürfnis nach moralischer, nicht zuletzt erinnerungspolitischer Selbstvergewisserung, und kein anderer Satz der Verfassung eignet sich gerade deshalb derart gut für politisch zweckentfremdete Feindmarkierungen. In einem der unrühmlichsten Vorgänge der jüngeren deutschen Politikgeschichte hat das die Potsdamer Professorin Frauke Brosius-Gersdorf erfahren müssen.

Remonstration an der Grenze

Da Innenminister Dobrindt trotz der Entscheidung des VG Berlin weiter Zurückweisungen an den deutschen Binnengrenzen durchführen lässt, könnte nunmehr ein Institut des Dienstrechts relevant werden, das lange ein „Schattendasein“ fristete: die Remonstration. Dabei geht es hier insbesondere um die Frage, ob Bundespolizist:innen verpflichtet sind, hinsichtlich der Zurückweisungen zu remonstrieren (§ 63 Abs. 2 S. 1 BBG). Die Rechtsprechung von BVerfG und BGH spricht indes eher gegen diese Pflicht. Ein Recht zur Remonstration besteht aufgrund der Zweifel an der Rechtmäßigkeit der aktuellen Praxis indes bereits jetzt.

In ruhige Gewässer

Rechte der Natur erregen die Gemüter. In Deutschland riefen jüngst zwei Urteile des LG Erfurt heftige Reaktionen hervor. Auch in Spanien, wo bereits 2022 mit der Salzwasserlagune Mar Menor das erste europäische Ökosystem mit Rechten ausgestattet wurde, um die fortschreitende Zerstörung durch Pestizideintrag zu stoppen, wurden hitzige Debatten geführt. Am 20.11.2024 hat das spanische Verfassungsgericht die Verfassungskonformität dieses Rechtsakts bestätigt und damit die Debatte in verfassungsrechtlich ruhigere Gewässer gelenkt.

Sale of Nationality as a Violation of Human Dignity

On 21 March 2023, the European Commission brought action against Republic of Malta for establishing and maintaining a policy and a practice of naturalisation despite “the absence of a genuine link of the applicants with the country, in exchange for pre-determined payments or investments”. In this blog, I argue that the Court is fully competent because Malta violated article 1 of the EU Charter of Fundamental Rights. Specifically, I argue that selling nationality violates human dignity because nationality confers legal subjecthood, which is a central condition for guaranteeing the human dignity of European citizens.

Mit Sicherheit nicht

Die Forderung, Leistungen für sogenannte „Dublin-Fälle“ zu kürzen bzw. ganz auszuschließen, hat nach dem islamistischen Terrorangriff von Solingen Eingang in das „Sicherheitspaket“ der Bundesregierung gefunden. Die aktuelle politische Debatte zeugt in erster Linie von Unkenntnis der aktuellen Rechtslage und der Lebenssituation von Asylsuchenden und geduldeten Menschen in Deutschland. Die Forderungen, Sozialleistungen für geflüchteten Menschen im Dublin-Verfahren noch weiter zu kürzen oder sie sogar davon auszuschließen, sind mit dem Grundgesetz nicht vereinbar.

Kommunale Spiel(räum)e gegen die Menschenwürde

Die Verwaltung hat gegenüber Asylbewerber*innen in Deutschland im Wesentlichen zwei Gesichter: Zuerst zeigt sich das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, das die Asylbegehren prüft. In der Zeit, die dafür oft ins Land streicht, treffen sie zweitens in vielen aufenthalts- und sozialrechtlichen Belangen auf kommunale Behörden. Insbesondere sind sie im existenziellen Sinne auf das Asylbewerberleistungsrecht angewiesen, das die Sozialbehörden der Landratsämter umsetzen. Was passiert, wenn autoritäre Populist*innen, die einer rassistischen Ideologie verhaftet sind, diese Behörden steuern?

Wen es trifft

Diesen Sonntag finden die Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen statt. Stärkste Kraft könnte in beiden Ländern eine autoritär-populistische Partei werden, die gegen Menschenwürde und Demokratieprinzip verstößt und die rechtliche Gleichheit der Staatsangehörigen in Frage stellt. Welche Szenarien der Diskriminierung könnten auf Thüringen und Deutschland zukommen, wenn die AfD in Regierungsverantwortung versuchen würde, diese politischen Bestrebungen umzusetzen?

Poverty as a Crime

In June 2024, the U.S. Supreme Court in the Opinion City of Grants Pass v. Johnson held that the Constitution does not guarantee individual protection against the criminalisation of homelessness. Similarly, in May 2024, the European Court of Human Rights found the case concerning the criminalisation of begging, Dian v. Denmark, inadmissible. Both of these judicial decisions are disputed since the criminalisation of poverty cannot solve the problem of homelessness or begging. Rather, it violates the fundamental dignity of the individual.

Ist dieses Urteil der Anfang vom Ende der AfD?

Mitte Mai entschied das OVG Münster, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD zu Recht als rechtsextremistischen Verdachtsfall einstuft und beobachtet. Das schlug hohe Wellen. Die Veröffentlichung der Urteilsgründe sechs Wochen später jedoch nicht – obwohl sie ein Verbotsverfahren gegen die AfD und dessen Erfolg wahrscheinlicher machen.

Schmerzgriffe und Menschenrechte

Polizeiliche Schmerzgriffe bei einer Sitzblockade gegenüber sich absolut passiv verhaltenen Demonstrierenden verletzen deren Menschenrechte. Sie verstoßen nicht nur gegen das Verbot erniedrigender Behandlung aus Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention, sondern auch gegen die Menschenwürde, die zu achten und zu schützen nach Art. 1 Abs. 1 S. 1 Grundgesetz Aufgabe aller staatlichen Gewalt ist. Entgegen der teilweise von den Bundesländern vertretenen Position finden die Schmerzgriffe schon in den polizeirechtlichen Vorschriften über den unmittelbaren Zwang keine Rechtsgrundlage.