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Eine Republik wird „neutralisiert“

Julia Klöckner ist seit der Bundestagswahl 2025 Präsidentin des Deutschen Bundestages. Ihrem Schutz anvertraut sind die Einhaltung der Geschäftsordnung, die Fairness der Debatten und die Ordnung des Hohen Hauses schlechthin. Außerdem hat sie „die Würde und die Rechte des Bundestages“ zu wahren. Der Präsidentin Klöckner reichten diese Schutzgüter nicht aus. Sie nahm ein weiteres in Anspruch – die politische Neutralität, die sie etwa durch bestimmte Kleidung oder das Hissen der Regenbogenflagge sieht. Doch Neutralität hat freilich einen politisch vergifteten Kontext.

Ein etatistisches Missverständnis

In den letzten Jahren hat sich unterhalb von Rechtsprechung und Rechtsetzung ein Diskurs ausgebreitet, demzufolge die staatlich geförderte Zivilgesellschaft den gleichen Äußerungsregeln wie der Staat unterliegt. Da Gerichte sich zu solchen Neutralitätsanforderungen an die Zivilgesellschaft kaum geäußert haben, ist die Verunsicherung entsprechend groß. Doch der Äußerungsspielraum ist größer als vielfach angenommen. Eine verfassungsrechtliche Pflicht des Förderstaates, ihn zu beschränken, besteht in den meisten Fällen nicht.

Alltagsnorm und Kampfansage

Das könnte ein wichtiges Thema sein, meldet sich die eigene Erinnerung an die 1990er-Jahre-Jugend in einer ostdeutschen Kleinstadt. Während die Verfahren und Institutionen der jungen Demokratie Wurzeln schlugen, gab es einen Alltag, in dem der politische Kompass auf Schulhöfen, in Jugendclubs oder an der Tankstelle mit Fäusten justiert wurde – entlang der Frage: „Bist du rechts, links, neutral?“ Sich raushalten, Stress vermeiden, neutral sein, das wuchs als Tugend und wurzelte mit und neben den sich etablierenden politischen Verhältnissen.

Amtsgedanke und neutralisierter Demokratiebegriff

Die Frage, wie ein demokratisches Personalverfassungsrecht aussehen sollte, wird selten gestellt. Die Leerstelle betraf bislang auch und gerade die Institution des sogenannten politischen Beamten, die nach § 54 Abs. 1 BBG, § 30 Abs. 1 BeamtStG jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden können. Mit einem jetzt veröffentlichten Beschluss vom 9. April 2024 hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts diese Lücke geschlossen. Mit wenig plausiblen Gründen opfert das Gericht eine für das Personalverfassungsrecht des Grundgesetzes wesentliche Institution auf dem Altar seiner Entpolitisierungsbestrebungen.

Jede hat ihr Kreuz zu tragen

Bayerische Behörden sind verpflichtet, „als Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns gut sichtbar ein Kreuz“ in ihrem Eingangsbereich anzubringen. So sieht es § 28 AGO vor, den das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in seinem Urteil vom 19.12.2023 nach einer Klage unter anderem vom Bund für Geistesfreiheit (BfG) für rechtmäßig befunden hat. Soweit die Klage sich auf das Anbringen der Kreuze richtet, sei sie unbegründet. Eine Verletzung der Kläger*innen in ihren Rechten aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG wird zutreffend verneint, weil die Kläger*innen als Weltanschauungsgemeinschaften kein Recht auf Konfrontationsschutz haben. In den weiteren Punkten weicht die Argumentation des Gerichts indes nicht nur geradezu provokativ von etablierten verfassungsrechtlichen Maßstäben ab, sondern verstrickt sich dabei auch in Wertungswidersprüche.

Neutrality and the Irish Constitution

Ireland, like other neutral states, has witnessed intense debates in recent weeks over the future of its neutral status. Ireland is not a member of NATO and has maintained an ambiguous status of ‘neutrality’ since independence. However, neutrality as such is not a constitutional requirement, and insofar as it obtains at all, has more the character of a policy or tradition. Departures from that tradition – particularly the joining of NATO – would nonetheless likely encounter certain constitutional barriers. In particular, it seems likely that membership of NATO would require a constitutional referendum.

On Finland with Love

This contribution briefly unpacks the relevancy of the East/West intersectionality Finland represents for us today. The pragmatic manner in which the Finns have dealt with Russia – in all its previous versions, white, red or “federal” – is instructive in understanding the limits of moral, economic and physical power when facing a neighboring country that will most probably never be trusted, loved or changed, by outsiders.

The EU as Quasi-NATO

Putin has reportedly threatened both Sweden and Finland against joining NATO, attempting to preempt a shift away from the commitment to neutrality that is deeply embedded in the Swedish political soul. It is therefore all the more interesting that Sweden and Finland have recently concluded a new strategy of enhanced security cooperation between the states. In addition, the Swedish government, together with Finland, has sent a letter to other EU Member States reminding them of their obligation to assist any EU country in case of belligerent attack. Should we interpret this as an expectation for the EU to function effectively as a quasi-NATO?

Die Made im NATO-Speck

Der Krieg in der Ukraine hat innerhalb kürzester Zeit Grundprämissen des etablierten österreichischen Neutralitätskonzepts in Frage gestellt – selbst ein NATO-Beitritt wurde diskutiert. Der Gang dieser Diskussion vermochte innerhalb kürzester Zeit die gesamten rechtlichen Schwachstellen des österreichischen Neutralitätskonzepts offen zu legen. Gleichzeitig zeigt sich, wie opportun es für Österreich ist und weshalb wohl auch weiter daran festgehalten wird.

Waffenlieferungen an die Ukraine als Ausdruck eines wertebasierten Völkerrechts

Waffenlieferungen an den rechtswidrig angegriffenen Staat sind das Mindeste was Deutschland und andere Staaten angesichts der Untätigkeit des Sicherheitsrats zur Wahrung und Wiederherstellung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit und zur Verteidigung der Völkerrechtsordnung tun können. Das Völkerrecht verdammt die Staaten nicht dazu, der Aggression tatenlos zuzusehen. Ganz im Gegenteil.