Articles for tag: Freiheitlich-demokratische GrundordnungPolizeiRassismusVerfassungsfeindlichkeit

Verfassungsfeindliches Verhalten im öffentlichen Dienst

In den letzten Wochen und Monaten rückten verfassungsfeindliche Verhaltensweisen von Staatsdiener:innen wieder in verstärktem Maße in das Blickfeld der öffentlichen Wahrnehmung. Die MEGAVO-Studie hat am 4.4.2023 ihren Zwischenbericht vorgelegt. Danach finde sich im Bereich der Polizei „allenfalls eine kleine Anzahl von Personen, die ein konsistent menschen- und demokratiefeindliches Weltbild aufweist“. Allerdings seien „durchaus mehr als nur Einzelfälle“ gegeben, „bei denen die individuelle Einstellung kaum mit den Leitbildern der Polizei in Einklang zu bringen ist“. Jedenfalls vor dem Hintergrund des aktuellen Sachstands in der Forschung kann allerdings dieser Befund gegenwärtig kaum weiterführende Erkenntnisse auf institutionellen Rassismus oder gar Rechtsextremismus in deutschen Behörden liefern.

Weltumspannende Vernichtungsfantasien

In seinem jüngst veröffentlichten Gutachten zum documenta fifteen-Skandal schreibt Christoph Möllers, dass er Kunstformen, „die sich antisemitischer oder rassistischer Stereotype bedienen“, nebeneinander behandeln könne, „weil die Unterschiede zwischen Rassismus und Antisemitismus jedenfalls nicht auf den Umstand ihrer verfassungsrechtlichen Missbilligung hinüberwirken, die für beide gilt und für beide an gleicher Stelle verankert ist“. Das mag der Mehrheitsmeinung unter Verfassungsrechtler:innen entsprechen. Aus der Perspektive der Antisemitismusforschung verdeckt eine solche same standards-These jedoch gerade das, was den modernen Antisemitismus ausmacht. Deshalb sollten wir erwägen, bei seiner rechtlichen Bekämpfung dogmatisch neue Wege zu gehen.

Ohne Beweislastumkehr doch kein Knaller für Racial-Profiling Prozesse

Am Dienstag, den 18.10.2022 war es wieder einmal so weit: Deutschland wurde vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt. Die Entscheidung Basu v. Deutschland stellte eine Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention fest. Es geht um Racial Profiling, die Bundespolizei, Sachsen – es sieht also nach einem Knaller aus. Der Gerichtshof schließt, dass der Vorwurf des Racial Profiling nicht ausreichend ermittelt wurde. Konkreter gesagt: dass schon keine Struktur existierte, die eine solche Ermittlung gegenüber der Bundespolizei überhaupt gewährleisten konnte.

Dürfen die das?

Erinnern Sie sich noch an die Diskussion um eine Studie zu Rassismus und Rechtsextremismus in der Polizei, die 2020 geführt wurde? Nach der Tötung von George Floyd in den USA und einer Vielzahl an deutschen Polizeiskandalen begann man auch in Deutschland verstärkt über Polizeigewalt, Racial Profiling und Rechtsextremismus in der Polizei zu diskutieren und die Öffentlichkeit drängte auf eine großangelegte Studie. Zunächst verweigerte der damalige Bundesinnenminister Horst Seehofer und ließ verlauten: „Die halten ja für uns den Kopf hin und deshalb gibt es jetzt keine Studie, die sich gegen die Polizei mit Unterstellungen oder Vorwürfen richtet.“

Über die Grenzen des Rechts

Der Angriffskrieg Putins gegen die Ukraine hat in den vergangenen Tagen eine Welle der Empathie und Solidarität ausgelöst. Die Reaktionen haben aber auch deutlich gemacht, dass es Hierarchien darin gibt, wem solche Empathie und Solidarität entgegengebracht wird – und wem eher nicht. Diese Hierarchien sind Ausdruck von strukturellen und institutionellen Rassismen. Das Recht hat in diesem Zusammenhang eine ambivalente Rolle, indem es zugleich rassistische Strukturen (re)produziert und dazu einlädt, eben diese zu hinterfragen und zu überwinden.

Die Relevanz der inneren Einstellung

In der jüngeren Vergangenheit trat die freiheitliche demokratische Grundordnung insbesondere wegen diverser Äußerungen von Beamt:innen verstärkt in den Mittelpunkt der Berichtserstattung. In all diesen Konstellationen geht es um verbale, schriftliche oder über die sozialen Netzwerke verbreitete Äußerungen von Staatsdiener:innen, die Zweifel an deren Bekenntnis zur freiheitliche demokratische Grundordnung hervorrufen, oder sogar gegen diese gerichtet sind. Jedenfalls in den Fällen, in denen eine Äußerung nicht eindeutig als rassistisch oder rechtsextrem einzuordnen ist, kommt es auf die innere Einstellung der sich äußernden Person an.

Was heißt hier eigentlich ausufernd?

Über „Rasse“ und Rassismus im Recht wird in letzter Zeit so intensiv diskutiert wie nie zuvor in Deutschland. In welche Widersprüche man dabei geraten kann, wurde in dieser Woche im Bundestag sichtbar: Während im Rechtsausschuss der Begriff „rassistisch“ im Grundgesetz abgelehnt wurde, weil er „völlig unbestimmt“ sei und eine ausufernde Rechtsprechung zu befürchten sei, einigte man sich fast zeitgleich im Innenausschuss darauf eben diesen Begriff im Staatsangehörigkeitsgesetz als Ausschlussgrund für Einbürgerungen zu verwenden. Auch diese Episode der Rechtspolitik zeigt erneut, dass Deutschland beim Umgang mit „Rasse“ und Rassismus im Recht immer noch erheblichen Entwicklungsbedarf hat.

The United Kingdom on Race

The United Kingdom’s Commission on Ethnic and Racial Disparities, has recently published a report, which has been widely discredited since its launch by charities, education unions, academics and politicians. Using the UK’s progressive track record of legal provisions on racial discrimination, the report moves to obscure racism’s systemic aspects. There is a profound disconnect between the theory of the UK’s legal protections against racism and the lived reality of race in Britain, which reveals race as an important and persistent determinant of social experience.  

Weder revolutionär noch eine Besonderheit

Der Berliner Gesetzesentwurf für eine bevorzugte Einstellung von „Menschen mit Migrationshintergrund“ im öffentlichen Dienst ist zwar vorerst gescheitert, doch das Thema wird uns mit großer Wahrscheinlichkeit in den nächsten Jahren weiter beschäftigen. Die politischen und rechtlichen Kontroversen sind vorprogrammiert, denn solche Maßnahmen tangieren Ressourcen und Privilegien. Anders als pauschal behauptet, sind Fördermaßnahmen für Angehörige bestimmter sozialer Gruppen, die historisch und strukturell diskriminiert werden, nicht nur verfassungsrechtlich zulässig, sondern auch internationalrechtlich verpflichtend.

Corona Constitutional #55: Ein solidarischer Shutdown

Seit bald einem Jahr scheinen Deutschland und viele andere vor allem europäische Staaten von einem Lockdown zum nächsten zu stolpern, ohne die Corona-Pandemie wirklich in den Griff zu bekommen. Trotz des Impfstarts ist ein Ende dieses Hin und Her erst einmal nicht in Sicht – oder doch? Vor etwa einem Monat hat eine Initiative einen Appell unter dem Schlagwort „ZeroCovid“ veröffentlicht, die einen solidarischen europäischen Shutdown fordert. DANIEL LOICK ist Associate Professor für Politische und Sozialphilosophie und assoziierter Forscher am Frankfurter Institut für Sozialforschung und einer der Erstunterzeichner des Appells. Mit ihm spricht Evin Dalkilic über die „ZeroCovid“-Strategie, wie man sich ihre Umsetzung ohne autoritäre staatliche Maßnahmen vorstellen kann und wieso wir dabei gerade von marginalisierten Communities lernen können.