Articles for tag: AsylrechtRechtsstaatVisum

Der Staat gegen seine Richter: Eindrücke von der EGMR-Verhandlung im Fall M.N.

Es gibt zwei große Fragen in diesem Fall M.N. gg. Belgien, der am 24. April 2019 vor der Großen Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) verhandelt wurde. Die erste betrifft die Pflicht eines Staates, unter besonderen Umständen in einer Botschaft ein Visum auszustellen, welches Personen erlaubt, einzureisen und dann Asyl zu beantragen. Daneben wirft der Fall M.N. aber eine zweite Frage auf, die an Grundsätzlichkeit und Relevanz kaum hinter der ersten zurückbleibt. Es ist dies die Frage nach der offenen und ausdrücklichen Missachtung von Gerichtsentscheidungen durch die Verwaltung, wie sie in diesem Fall stattfand, also eine Frage nach Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit.

Brasiliens neuer Superjustizminister und das drohende Ende des Rechtsstaats

Brasiliens demokratischer Rechtsstaat hat gerade seinen 30. Geburtstag gefeiert. Doch mit der Wahl des seit dem 1. Januar 2019 amtierenden Präsidenten Jair Bolsonaro ist sein Fortbestand gefährdet wie nie. Vergleichsweise wenig Beachtung fand in den internationalen Medien, was die neue Regierung in Bezug auf die Justizverwaltung Brasiliens plant: Ein „Superjustizministerium“ soll gegründet werden, das vom ehemaligen Bundesrichter Sergio Moro geleitet wird, und ein strenges Antiterrorgesetz soll verabschiedet werden. Beides ist geeignet, die rechtsstaatliche Ordnung Brasiliens zu beeinträchtigen.

Die Fiktion der Souveränität in Transitzentren – Was ist eigentlich mit der Orbánisierung Europas gemeint?

Die Transitzentren sind der neueste Clou der Unionsfraktion, um ihre Spaltung abzuwenden. Hinter dem sog. Asylstreit der letzten Wochen steckt aber nicht nur ein parteipolitischer Konflikt zwischen Innenminister Horst Seehofer und Bundeskanzlerin Angela Merkel. Im Kern geht es vielmehr darum, eine illiberale und anti-europäische Form des Rechtsstaats in Deutschland zu implementieren, die in Ungarn schon weit vorangeschritten ist.

Taking Integrity Seriously: Justice Kate O’Regan on the Constitutional Court of South Africa

On his blog „Constitutionally Speaking“, South African law professor Pierre de Vos has just published an excellent piece on the role and work of the Constitutional Court of South Africa: Justice Kate O’Regan’s Helen Suzman Memorial Lecture, held in Johannesburg on 22 November 2011. „A Forum for reason: Reflections on the role and work of the Constitutional Court“ is strongly suggested reading for anyone interested in comparative constitutionalism and the role of courts in constitutional democracies. © Rechtskulturen / Maurice Weiss (Ostkreuz) Kate O’Regan, who was appointed to the bench in 1994 by Nelson Mandela and retired in 2009, provides not ... continue reading

Ungarn: Zeit, die Handschuhe auszuziehen

Wie viel Schulden ein Staat aufnehmen soll, ist eine der zentralen politischen Fragen unserer Zeit. Man kann da sehr unterschiedlicher Meinung sein, wie man in den USA derzeit sieht. Man kann und sollte darüber hitzig diskutieren, sich nichts schenken, den anderen mit allen Mitteln des politischen Meinungsstreits attackieren, denn es geht um sehr viel. Aber ihn ins Gefängnis werfen? Ungarns Regierung, bekannt durch ihren sonnigen verfassungspolitischen Humor, will erreichen, dass die Politiker, die für die gestiegene Staatsverschuldung verantwortlich sind, nämlich die sozialistischen Ministerpräsidenten Medgyessy, Gyurcsány und Bajnai, bestraft werden. Nulla poena sine lege? Denen doch egal. Wird der Straftatbestand halt ... continue reading

Verfassungsparanoia

Ich bin zurück am Schreibtisch, der Urlaub ist vorbei, die Rollläden gehen hoch: Der Verfassungsblog hat ab sofort wieder geöffnet. Zwei Fundstücke möchte ich den Lesern dieses Blogs aber nicht vorenthalten, auch wenn sie schon ein paar Tage alt sind: Auf keinen Fall versäumen sollte man „Obama’s Top Secret Plan to Solve the Debt Crisis„, enthüllt und protokolliert von Jack Balkin, dem berühmten Verfassungsrechtler aus Yale, dessen Fantasie seine Rechtskundigkeit an Üppigkeit und Fülle womöglich noch übertrifft. Und solchermaßen vorbereitet sollte man sich ansehen, was Andrew Le Sueur aus Großbritannien berichtet: Dort scheint eine Bewegung von Verfassungs-Verschwörungstheoretikern auf dem Vormarsch, ... continue reading

Ungarn: Eine Verfassung zum Fürchten

Ich bin gestern Abend in Budapest angekommen, habe mittlerweile mit ein paar Leuten gesprochen, die sich auskennen, und kann zu der neuen Verfassung Ungarns jetzt etwas präziser Auskunft geben. Um das Ergebnis vorweg zu nehmen: Das ist überhaupt nicht schön, was da passiert. Das ist sogar ziemlich fürchterlich. Ein Mann, ein Wort, eine Verfassung Noch mal kurz zur Vorgeschichte: Im April 2010 hatten die Nationalkonservativen um Viktor Orbán einen triumphalen Wahlsieg errungen, der ihnen im Parlament eine Zweidrittelmehrheit einbrachte. Da es in Ungarn nur eine Kammer gibt, hatten sie damit Vollmacht, die Verfassung zu ändern. Und zwar ganz allein. Orbán ... continue reading

Ungarn: Der Entwurf der neuen Verfassung liegt vor

… wenn auch bisher nur auf ungarisch. Am 15. März soll er ins Parlament eingebracht (und dort dann wohl mit der Zweidrittelmehrheit der nationalkonservativen Regierungskoalition aus Fidesz und Christdemokraten verabschiedet) werden. Was ich über Google-Translator und einigen Tipps von Kennern dieser schwierigen Sprache bisher über den Inhalt herausfinden konnte (wenn ich was falsch verstanden habe, bin ich für jeden Hinweis dankbar): Da ist zunächst eine ziemlich barocke Präambel voller Referenzen auf die 1000-jährige Geschichte Ungarns, auf den heiligen Stephan und die Einheit der ungarischen Nation: Der erste Satz der Verfassung, noch vor der eigentlichen Präambel, lautet „Gott segne die Ungarn“. ... continue reading