Articles for tag: ExekutivbefugnisseGewaltenteilungParlamentarismusParlamentsvorbehalt

Wenn das Kind im Brunnen liegt: Ex-post-facto-Kontrolle des Bundestags beim Einsatz bewaffneter Streitkräfte

Eine nachträgliche konstitutive Zustimmung des Parlaments zu einem bewaffneten Einsatz der Bundeswehr ist nach Beendigung des Einsatzes verfassungsrechtlich nicht geboten – so das BVerfG in seinem Urteil vom 23.09.2015. Einerseits verdient seine Entscheidung Applaus: Das BVerfG präzisiert die Vorgaben, die es in vergangenen Urteilen (Out-of-Area-Einsätze/Luftraumüberwachung durch AWACS-Flugzeuge) aufstellte, und behält seine parlamentsfreundliche Tendenz bei: Die Bundeswehr ist ein „Parlamentsheer“. Andererseits schränkt es diese Wertung gerade dadurch ein, dass die Exekutive den Bundestag nach Beendigung eines Einsatzes nicht mehr zu befassen hat: Im Vorfeld und während eines Einsatzes ist das Parlament „Macher“, nach dessen Abschluss bloßer Informationsempfänger. Ein klarer Wertungswiderspruch.

Where do we stand on the reform of the EU’s Court System? On a reform as short-sighted as the attempts to force through its adoption

Last October, the CJEU has proposed to double the number of judges at the General Court to help tackling its growing workload. The legislative process this proposal is currently undergoing appears to be marred by a pattern of procedural irregularities whose only aim seems to be the speedy adoption of the reform and – more troublingly – may also be construed as a joint advocacy strategy designed to systematically eliminate any opportunity for a public, well informed and evidence-based debate. Should this reform go through (as it appears likely), damaging evidence might yet come to light and the authority and legitimacy of relevant EU institutions will be further undermined at a time where they have little to spare.

Richter und Staatsanwälte – besser in zwei Vereinen

Der „Verein der Bundesrichter und Bundesanwälte beim Bundesgerichtshof“ hat in einer Presseerklärung die Entlassung des Generalbundesanwalts durch den Bundesjustizminister scharf kritisiert und verlautbart, es gäbe „Anhaltspunkte für eine rechtswidrige Behinderung der Ermittlungen des Generalbundesanwalts.“ Dies ist ein in mehrerer Hinsicht bemerkenswerter Vorgang. Bemerkenswert ist zunächst der Verein selbst, der Richter und Staatsanwälte, also Kontrolleure und Kontrollierte, in einer gemeinsamen Struktur verbindet. Besser könnte man ein Standesbewußtsein nicht zum Ausdruck bringen, in dem die Unabhängigkeit gerichtlicher Kontrolle vielleicht weniger von höchst seltenen politischen Interventionen als von der Distanzlosigkeit zweier Gewalten bedroht erscheint, die das Grundgesetz trennen wollte – und von der ... continue reading

Range vs. Maas: Zu wenig Eingriff, nicht zu viel

Ein "unerträglicher Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz" hat also stattgefunden. Der amtierende Bundesjustizminister hat also den amtierenden Generalbundesanwalt zu hindern versucht, pflichtgemäß seine Arbeit zu tun und dem Verdacht auf journalistischen Landesverrat nachzugehen, nur weil ihm diese Arbeit politisch nicht in den Kram passte. Einen regelrechten Verfassungsbruch hat der Minister damit also begangen, indem er die Unabhängigkeit der Justiz brutal der Logik politischer Opportunität unterwarf. Das ist ein strammer Vorwurf und als politischer und sicherheitsadministrativer Vorgang zweifellos höchst bemerkenswert, aber inhaltlich meines Erachtens ein rechter Schmarren. Erstens ist hier von Unabhängigkeit der Justiz gar keine Rede, und zweitens hat, selbst wenn, Minister Maas in dieselbe eher zu wenig als zu viel eingegriffen.

Vom Recht, auf die Mehrdeutigkeit des Gesetzes vertrauen zu können

Der Gesetzgeber sagt, was das Gesetz ist. Sollte man meinen. Ist aber nicht so. Das Bundesverfassungsgericht hat heute einen Senatsbeschluss veröffentlicht, der in Berlin und anderenorts mal wieder für allerhand Zahnschmelzabrieb sorgen dürfte. Es geht um die Frage, ob der Gesetzgeber klarstellen darf, wie er seine eigenen Worte verstanden wissen will, wenn es in Praxis und Justiz Verwirrung um dieselben gibt. Das darf er nicht, so die Mehrheitsmeinung im Ersten Senat: Damit würde er die Rechtslage rückwirkend verändern und damit das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger, dass gilt, was gilt, rechtsstaatswidrig enttäuschen. Unklarheiten zu beseitigen sei allein Sache der Justiz: ... continue reading

Taking Integrity Seriously: Justice Kate O’Regan on the Constitutional Court of South Africa

On his blog „Constitutionally Speaking“, South African law professor Pierre de Vos has just published an excellent piece on the role and work of the Constitutional Court of South Africa: Justice Kate O’Regan’s Helen Suzman Memorial Lecture, held in Johannesburg on 22 November 2011. „A Forum for reason: Reflections on the role and work of the Constitutional Court“ is strongly suggested reading for anyone interested in comparative constitutionalism and the role of courts in constitutional democracies. © Rechtskulturen / Maurice Weiss (Ostkreuz) Kate O’Regan, who was appointed to the bench in 1994 by Nelson Mandela and retired in 2009, provides not ... continue reading

Ein paar Geburtstagsfragen an das Bundesverfassungsgericht

Das BVerfG wird 60 heute. Wir alle finden das Gericht super und sind sehr froh, dass es da ist und uns nicht mit den Innenministern dieser Welt alleine lässt. Deshalb vorweg und von Herzen: Alles Gute! Wenn ich mir aber den schrillen Jubel betrachte, der in dieser Woche allerorten losbricht anlässlich des Karlsruher Jubiläums, möchte ich doch, ohne die Geburtstagsstimmung allzu sehr zu stören, ein paar schüchterne Fragen stellen wollen: Als in der ZDF-Sendung neulich, lieber Herr Voßkuhle, begleitet von den Klängen barocker Hofmusik in extenso der Frage nachgegangen wurde, wie die Prachtgewänder Ihrer Kollegen – „siebeneinhalb Meter Stoff im ... continue reading

Finanzkrise und Gewaltenteilung

Irland, von der Finanzkrise böse gebeutelt, bereitet sich auf ein Verfassungsreferendum vor. Ende Oktober sollen die Iren parallel zu den Präsidentschaftswahlen darüber abstimmen, ob Art. 35.5 der irischen Verfassung geändert wird. Er garantiert allen irischen Richtern, dass ihre Besoldung während ihrer Amtszeit nicht reduziert werden darf. Die Idee dahinter ist klar: Es geht um Gewaltenteilung. Die Regierung bezahlt die Richter und soll diese Kompetenz nicht als Hebel benutzen dürfen, die Judikative zu disziplinieren. Solche Verfassungsklauseln sind nichts ungewöhnliches. Die Verfassung der USA enthält eine ganz ähnliche Formulierung (Art. III 1). Das Verbot, Richtern die Bezüge zu kürzen, macht in diesen ... continue reading

Das Bundesverfassungsgericht und die entfesselte Exekutive

Das Bundesverfassungsgericht wird in diesem Monat 60 Jahre alt. Das wird bestimmt zu allen möglichen Laudatien und andachtsvollen Gratulationsadressen Anlass geben, die diese sechs Jahrzehnte als beispiellose Erfolgsgeschichte nacherzählen, als Aufstiegsnarrativ from rags to riches, vom Neuling auf der Verfassungsbühne, der sich ab 1951 den Respekt von Politik und Justiz erst kämpferisch erwerben musste, über die spektakulären Heldentaten von Lüth und Elfes, bis hin zur Etablierung als populärstem Verfassungsorgan, als „Ersatzkaiser“ und Exportschlager, überall in der Welt nachgeahmt und selten erreicht. Das ist alles ganz gut und richtig. Aber viel interessanter ist eigentlich die Frage, ob und wo es Anlass ... continue reading

Ab 1. Juli kann Deutschland nicht mehr alle Staatsgewalt vom Volke ausgehen lassen

In 25 Tagen wird Deutschland einen verfassungspolitischen Bruch von potenziell unabsehbaren Folgen erleben. Das klingt wie eine Prophezeiung des Nostradamus, ist aber bedauerlicherweise ganz real: Es geht um das Bundeswahlgesetz – den Code, nach dem in Deutschland auf Bundesebene aus den politischen Präferenzen von 80 Millionen individuellen Deutschen der „Willen des Volkes“ errechnet wird, von dem nach Art. 20 I GG alle Staatsgewalt ausgeht. Einen Teil dieses Codes, und keinen unerheblichen, hat das BVerfG 2008 für verfassungswidrig erklärt. Gleichzeitig hatte es allerdings, wie es das öfter mal tut, eine Übergangsfrist eingeräumt, um dem Gesetzgeber Gelegenheit zu geben, den Fehler zu ... continue reading