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Alain Supiot über Sozialstaat, Globalisierung und Solidarität

In seiner Antrittsvorlesung im Collège de France skizzierte der Arbeits- und Sozialrechtler  Alain Supiot, Direktor des Institut d’études avancées in Nantes, unlängst seine Forschungsfragen für die kommenden Jahre und entwickelte Überlegungen zur politischen Gestaltung der Globalisierung durch Recht weiter, die er in seiner vielbeachteten kleinen Denkschrift „Der Geist von Philadelphia“ (2011) entfaltet hat. Supiot, der seine rechtswissenschaftlichen Forschungen mit Erkenntnissen aus Soziologie, Anthropologie und politischer Philosophie anreichert und als Experte für europäisches und internationales Arbeitsrecht stets über die Grenzen des Nationalstaats hinausdenkt, ruft in seinem nachhörenswerten Vortrag einmal mehr leidenschaftlich zu politischem und ökonomischem Umdenken auf – und zur Einsicht ... continue reading

London brennt. Ist das politisch? Aber hallo

Man sieht die Bilder von den in den Himmel schlagenden Flammen, von der ungeheuren Zerstörungskraft der Glut, von dem todschwarzen Gebröckel, wo eben noch ganz normale, ganz banale Häuser standen mit ganz normalen, ganz banalen Möbelgeschäften oder Mobilfunkketten darin, von den fleckigen Skeletten der ausgebrannten Autos, von den eben noch ganz normalen, ganz banalen Kapuzenjungs, die Arme voll mit Computerspiel-Diebesgut, ihr heiseres, begeistertes Gebrüll, als könnten sie nicht glauben, was ihnen da soeben für eine tolle Sache gelungen ist. Man sieht diese Bilder und fühlt sich, wie sich ein Neandertaler im Angesicht eines Vulkanausbruchs gefühlt haben mag: Das bedeutet irgendwas. ... continue reading

Von aufgegessenen Torten und hohlen Gerechtigkeitssprüchen

Die große Sahnetorte ist aufgegessen. Lecker hat sie geschmeckt. Vielleicht ein bisschen schwer verdaulich und nicht besonders gut für den Cholesterinspiegel. Aber jedenfalls ist sie weg. Was tun wir jetzt? Wir könnten jetzt darüber reden, wer den Abwasch macht. Wir könnten auch darüber reden, ob einer loszieht und eine neue Torte kauft. Aber das tun wir alles nicht. Sondern wir streiten uns weiter über die Größe der Tortenstücke, als stünde das Ding noch auf dem Tisch wie eh und je. Die öffentliche Reaktion auf das Sparpaket der Bundesregierung hat etwas eigentümlich Hilfloses. Wir fuchteln mit Begriffen und Bewertungsmaßstäben herum, die ... continue reading

Hartz IV: Papiers Vermächtnis

Hans-Jürgen Papier steht kurz vor dem Abschied aus Karlsruhe und gibt zu guter Letzt noch ein Interview, in dem er das Hartz-IV-Urteil erläutert. Das hätte es früher auch nicht gegeben, dass der Senatsvorsitzende so kurz nach der Urteilsverkündung noch einmal an die Öffentlichkeit geht, um dieser zum rechten Verständnis des selbst gefällten Richterspruches zu verhelfen. Aber ich will das mal als Zeichen eines geschärften Bewusstseins für die politische Dimension des Verfassungsrichteramtes werten. Interessant sind dabei nicht zuletzt die Fragen, die der Kollege in dem Interview stellt: Er klagt, dass das Urteil nicht zu den „salomonischen“ Richtersprüchen gehört habe, die eine ... continue reading

Hartz IV: Alles neu?

Die Heilserwartung der Öffentlichkeit in punkto Hartz IV an die acht Richterinnen und Richter des Ersten Senats war enorm: Seit bald einem Jahrzehnt beißen wir uns an einer politisch-demokratischen Lösung des Problems die Zähne aus, dass Millionen von Menschen von anderer Leute Geld leben müssen. Um so verlockender erschien die Aussicht, diese Lösung vom Gipfel der Karlsruher Philosophenkönigsweisheit heruntergereicht zu bekommen. Das ist schon mal die erste gute Nachricht des Tages: Die Richter haben sich diesem Ansinnen erfolgreich entzogen. Sie haben in ihrem heutigen Urteil sich nicht darauf eingelassen, das Maß dessen, was ein Mensch mindestens zum menschenwürdigen Leben braucht, ... continue reading