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Ein Verfassungsauftrag für die Ewigkeit?

In den aus Weimar übernommenen religionsverfassungsrechtlichen Vorschriften des Grundgesetzes schlummert seit jeher der Verfassungsauftrag, die Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften abzulösen, also durch eine Entschädigungszahlung aufzuheben. Dieser Auftrag blieb auch in der 20. Wahlperiode unerfüllt. Dafür ist eine spezifische politische und föderale Interessenkonstellation in der Bundesrepublik verantwortlich. Art. 138 Abs. 1 WRV ist dadurch bis heute „kaltgestellt“, wofür aber hinreichende Lösungsmöglichkeiten bereitstehen.

Eigentlich schon lange quitt

Wir schaffen in einem Grundsätzegesetz im Dialog mit den Ländern und den Kirchen einen fairen Rahmen für die Ablösung der Staatsleistungen.“ So verspricht es der Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien (S. 110) und man darf dieses Versprechen durchaus ernst nehmen. Hinter dieser Zielsetzung steht jedoch ein methodisch sehr zweifelhafter originalistischer Ansatz, der mit der vollständigen Nichtberücksichtigung der in den letzten 100 Jahren geleisteten Zahlungen gegen den Zweck von Art. 138 WRV verstößt.

Why Egenberger Could Be Next

Soon, the Federal Constitutional Court will decide on the Egenberger case that raises important questions at the intersection of anti-discrimination law and religious policy. The decision is an opportunity to address critical questions to the European Court of Justice – a court that lacks dogmatic subtlety and sensitivity with regard to religion and cultural policy as an analysis of its case law shows.

VB vom Blatt: Drei Überlegungen zum neuen Sitzungsturnus der Deutschen Islamkonferenz

Der Islam gehört zu Deutschland. Tut er das? Vor zwölf Jahren hat das Bundesinnenministerium die Deutsche Islamkonferenz ins Leben gerufen, um das Verhältnis von Staat und muslimischer Religion zu klären. Kritik, vor allem an der mangelnden Repräsentativität der vertretenen Islamfunktionäre, hat das Projekt von Beginn an begleitet. Jetzt beginnt die vierte Phase der Deutschen Islamkonferenz.

Staatskirchenrecht aus Luxemburg?

Wer wissen will, wie das Verhältnis von Staat und Kirche in Deutschland geregelt ist, hat es ohnehin schon schwer. Noch mehr verkompliziert sich das Bild, wenn darüber hinaus das Unionsrecht auf den Plan tritt. Zwar ist die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union hier bisher noch überschaubar. Doch lässt das Jahr 2017 einige Luxemburger Weichenstellungen erwarten, die auch die religionsrechtliche Diskussion in Deutschland bestimmen werden – und zwar nicht unbedingt zu Gunsten der Kirchen.

Der Kampf der Zeugen Jehovas: Grundrechte vs. föderales Kompetenzgefüge

Föderalismus und Länderkompetenzen treffen auf Grundrechte – so könnte man die Kernproblematik, die in dem jüngsten Urteil des BVerfG zu den Zeugen Jehovas (2 BvR 1282/11) steckt, auf den Punkt bringen. Grundrechte wie die Religionsfreiheit gewähren Freiheiten, die im Grundsatz keine Ländergrenzen kennen. Sie berechtigen im gesamten Bundesgebiet. Wenn die föderale Kompetenzordnung sich einer Entfaltung von Grundrechten erheblich in den Weg stellt, sind die Länder gehalten, auf das Engste mit einander zu kooperieren, um Divergenzen soweit wie möglich zu verhindern – ein Grundsatz, den man bereits der Rechtsprechung des BVerfG in Sachen Hochschulzugangsberechtigungen entnehmen kann. Gerade auch im Falle der Verleihung des Körperschaftsstatus an eine Religionsgemeinschaft sollte er strikt beachtet werden, rückt aber im jüngsten Urteil in den Hintergrund. Zu Unrecht.

BVerfG und die Zeugen Jehovas: Kirche in Berlin, Verein in Bremen

Ein und dieselbe Religionsgemeinschaft kann nach ein und denselben Verfassungsanspruch auf Anerkennung als öffentlich-rechtliche Kirche gleichzeitig haben und nicht haben, je nachdem welches Bundesland darüber entscheidet. Das geht in einem föderalen Gebilde wie der Bundesrepublik. Der Status als Körperschaft des öffentlichen Rechts wird zwar aufgrund Bundesrechts vergeben, aber von jedem Land in eigener rechtlicher Verantwortung. Wenn es findet, dass die Voraussetzungen vorliegen, dann ja. Wenn nicht, dann nicht. Das hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts soeben entschieden und damit die föderale Quadratur des staatskirchenrechtlichen Kreises in eine völlig neue Komplexitätsdimension vorangetrieben.

EGMR: Frei von laizistischem Eifer

Ein Kruzifix im Klassenzimmer ist kein Menschenrechtsverstoß. Dies hat die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) festgestellt und damit die mit dem Lautsi-Kammerurteil im vorletzten Jahr entstandene Delle im Wappenschild des EGMR wieder ausgebeult. Die Kammer hatte 2009 in einer auch für EGMR-Verhältnisse außerordentlich dünn begründeten Entscheidung das obligatorische Kruzifix in italienischen Schulen für EMRK-widrig erklärt, weil der Staat damit den Schülern eine Konfrontation mit einem religiösen Symbol aufdränge und den Eltern das Recht nehme, ihre Kinder atheistisch zu erziehen. Das wird jetzt von der Großen Kammer sanft korrigiert, und zwar auf faktischer Ebene: There is no evidence ... continue reading

Kirchhofs Rettungsschirm für Kirchen, und andere Juristentagsnotizen

Warum spannt der Staat einen Rettungsschirm auf, wenn einige Finanzinstitute sich übernommen haben, während er den Schirm geschlossen lässt, wenn wir beobachten, dass einige Träger dieser Kultur, auf die unsere Verfassung baut, substanziell gefährdet sind? Das ist ein Satz von Paul Kirchhof, gefallen in seinem heutigen Referat auf dem Juristentag zu Berlin zum Thema Staat und Religion. Und wie das so ist mit Kirchhof-Sätzen, so erscheint auch dieser auf charakteristische Weise gleichzeitig luzide und geschwollen, weshalb ich mir erlaube, ihn mal zu paraphrasieren: Die Banken retten, das könn’se, aber die Kirchen lassen sie verrecken. Der Diskussionsgegenstand der Abteilung Öffentliches Recht ... continue reading

BVerfG: Ladenschlussurteil mit leichtem Weihrauchduft

Ich hasse nichts mehr als Advents-Shopping. Geht mir ungeheuer auf die Nerven. Und Glühwein mag ich auch nicht. Aber ich bin kein Verfassungsrichter, und deshalb bleibt meine Abneigung gegen rammelvolle, mit Leise-rieselt-der-Schnee-Gedudel überdröhnte Fußgängerzonen meine Privatsache. Mit dem heutigen Urteil aus Karlsruhe bin ich, was die unmittelbare Folge angeht, ganz einverstanden. Den Verkäuferinnen, die lieber mit ihren Familien um den Adventskranz sitzen würden, gehört meine ganze Sympathie. Aber die Urteilsgründe machen mir Bauchschmerzen, und die mittelbaren Folgen ebenso. Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erbauung gesetzlich geschützt. So steht es in ... continue reading