Articles for tag: ProtestReferendumVerfassungsgebung

Große Erwartungen

Vergangenen Sonntag, am 25. Oktober 2020, haben die Chilenen in einer historischen Abstimmung den Weg für eine neue Verfassung freigemacht. Schon über ein Jahr protestieren die Bürger des Landes und nun ist es ihnen gelungen, diese Proteste durch das Referendum auf eine demokratische Weise zu kanalisieren. Entsprechend hoch sind die Erwartungen an die neue, noch zu erarbeitende Verfassung.

Between Constitutional Romance and Real-World Politics

The Chilean process for a new constitution is a reminder that constitutional processes are not necessarily ideal scenarios of high deliberation, but processes that can include risks, self-interested politicians, the threat of violence, and competing views that try to defeat each other. In Chile, the romantic notion of constitution-building as a sort of new beginning quickly faced the challenges of real-world politics in a situation of institutional fragility.

Die Logik des Krieges: eine Anmerkung zur ukrainischen Verfassungsreform

Die Verfassungsreform in der Ukraine droht zu scheitern. In dem Vorgang zeigt sich das große ukrainische Dilemma im Kleinen: der Westen setzt Moskaus Zugriff auf die Ukraine wenig entgegen. Der Druck durch Merkel und Hollande auf Porošenko, die Verfassungsreform nach Minsk II umzusetzen, diente dem Ziel, Minsk II nicht scheitern zu lassen, nicht aber den Interessen der ukrainischen Staatsreform mit einer neuen Verfassung als freiwilligem Vertrag der Bürger über die Form ihres Zusammenlebens.

Domesticating the Word: Articulations of a Violent Past

  Tonight, Anthropologist Alejandro Castillejo Cuéllar (2011-2012 Rechtskulturen Fellow at Humboldt University Law School) will talk in Recht im Kontext’s Rechtskulturen Colloquium about the role that the articulation of a violent past, through different mechanisms, has in creating or reinforcing not only diverse forms of historical silence but also different ways of engaging the prospect of an imagined new society. His paper mainly deals with these questions in a series of transitional scenarios (South Africa, Colombia, and to a lesser extent Peru) in which testimonies of war were part of larger truth-seeking process. „Despite their differences (historically and sociologically), there is ... continue reading

Ein neues Grundgesetz: Warum eigentlich nicht?

Die Gründung der Vereinigten Staaten von Europa ist mit dem Grundgesetz nicht zu machen. Diese Position hat das BVerfG in der Maastricht-Entscheidung vorbereitet, in der Lissabon-Entscheidung ausgesprochen und in der Euro-Rettungsschirm-Entscheidung fortgeführt: Die EU institutionell in die Lage zu versetzen, mit der Schulden- und Eurokrise fertig zu werden, scheitert an Art. 38 und 20 I, weil jeder Deutsche darauf klagen kann, dass alle Staatsgewalt vom Volk und zwar vom deutschen Volk ausgeht. Und daran kann auch der verfassungsändernde Gesetzgeber nichts ändern, weil Art. 79 III, die bekannte „Ewigkeitsklausel“, das verbietet. Ergo: Da geht es nicht weiter. Ende Gelände. Muss man ... continue reading

Verfassungsaltäre in allen ungarischen Rathäusern

Viktor Orbán lässt nichts unversucht, seine Nation zu nötigen, sich die ihr von ihm aufgezwungene neue Verfassung zu eigen zu machen. Seit 1. September muss in allen Rathäusern im Lande dem dubiosen Dokument eine Art Altar errichtet werden: ein glasbelegter Tisch nebst Stuhl in einem eigenen Raum, dekoriert in den grün-weiß-roten Landesfarben, und bewacht von einem eigens dafür abgestellten öffentlichen Bediensteten. Das ist eine super Idee. Man sollte alles dafür tun, dass die in ihrer Überzahl völlig säkularen Ungarn merken, dass sie dank Orbáns Tatkraft gerade kollektiv ein „nationales Glaubensbekenntnis“ abgelegt haben. Aus irgendeinem Grund sieht die Verwaltungsanweisung offenbar vor, ... continue reading

Libyen: Vom Schleier der Unwissenheit

Die Ära Gaddhafi scheint sich tatsächlich ihrem Ende zuzuneigen. Es gibt auch schon einen Entwurf des rebellischen nationalen Übergangsrats für eine Übergangsverfassung, und darin findet sich in Art. 29 (und in Art. 33 merkwürdigerweise nochmal) folgende bemerkenswerte Klausel: The members of the Transitional National Council, of the interim government and of the local councils may not nominate or assume the positions of the President of the state, the membership of the legislative councils and ministerial portfolios. Das heißt, dass die Helden der Revolution, die gerade Gaddhafi stürzen und das neue Libyen gründen, in demselben keinerlei politische Rolle spielen dürfen. Das ... continue reading

Utopia im Nordatlantik

Dieser Artikel ist heute in der „Welt“ erschienen. Auf einer fernen Insel, weit im Norden, sturmumtost, mit Eispanzern bedeckt und von Vulkanschlünden zerrissen, lebte einst ein Volk, das sich kümmerlich von der Schafzucht und vom Fischfang nährte. Sie waren schwere Zeiten gewohnt, Hungersnöte und Fremdherrschaft, bis sich ihr Los mit einem Mal zu wenden schien: Reiche und mächtige Nationen wollten mit ihnen Handel treiben, wollten ihren Fisch, wollten ihren Strom und wollten die Zinsen, die ihre Banken zahlten. Und Geld floß zuhauf in die Taschen der Inselbewohner, ihr Leben wurde bunt und lustig. Sie gingen zum Shoppen nach Manhattan statt ... continue reading

Islands Volks-Verfassung ist fertig

Die 25 direkt gewählten Volksvertreter sind trotz der knappen Zeit rechtzeitig fertig geworden und übergeben heute das Ergebnis ihrer Arbeit dem Parlament. Zu finden ist es hier. Nach erster oberflächlicher Lektüre finde ich nichts, was ich nicht vernünftig finde. Es wird nicht leicht für die Konservativen, diesen Entwurf als Makrameearbeit wohlmeinender Politikamateure zu verleumden. Die Klausel zur Informationsfreiheit, die zum Schutz der natürlichen Ressourcen, das Verbot von Diskriminierung nach Genotyp – das geht weit, aber nicht zu weit und ist nichts, womit ein moderner Staat nicht zurechtkommen können sollte (soweit ich nicht durch die Rührei-Übersetzung etwas falsch verstanden habe). Die ... continue reading