Articles for tag: DemokratieGreecePlebiszitVerfassungsgebungVolkssouveränität

Ist Papandreou ein De Gaulle oder ein Bonaparte?

Dass Griechenland mitten in einer Revolution steckt, weiß jeder, der in den letzten Wochen den Fernseher angemacht hat. Aber die Demonstranten vom Syntagma-Platz sind nicht die ganze Geschichte. Die Frage, die ich mir stelle: Welche Rolle spielt dabei der Regierungschef Georgios Papandreou? Papandreou hat kürzlich angekündigt, im Herbst das Volk über eine Verfassungsreform abstimmen zu lassen. Wie genau er sich diese Reform vorstellt, ist noch nicht bekannt. Aber dass das politische System des Landes so nicht bleiben kann, liegt nach dem beispiellosen Desaster, das es angerichtet hat, auf der Hand. Wenn ich aber in die Verfassung hineinschaue, dann steht da ... continue reading

Ungarn bekommt ein vernichtendes Zeugnis vom Europarat

Jetzt ist es offiziell: Die künftige ungarische Verfassung genügt nicht den Maßstäben, die man in Europa an demokratische und rechtsstaatliche Verfassungen anlegt. Die Venice Commission, die über die verfassungspolitische Entwicklung der Mitgliedsstaaten des Europarates wacht, hat heute ihre Entscheidung über die Causa Ungarn veröffentlicht. Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Viktor Orbán hat keinen Grund zur Zufriedenheit. Und alle anderen in Europa schon sowieso nicht. Im März hatte die ungarische Regierung versucht, der Venice Commission ein Bein zu stellen: Noch bevor es überhaupt einen Entwurf der neuen Verfassung gab, legte sie ihr drei (eher randständige) Fragen vor. Die bekam sie auch beanwortet, ... continue reading

Islands Verfassungs-Crowdsourcing

Island, die krisengeschüttelte Insel im Nordmeer mit ihren 300.000 Einwohnern, erneuert seine Verfassung, und zwar auf eine ziemlich einzigartige Weise: total transparent, total partizipativ, alle dürfen mitreden, alles ist öffentlich, die Partei- und Fraktions-Mächtigen halten sich total raus. Klingt wie eine Mischung aus Thomas Morus, Solon von Athen und Elterninitiativkindergarten. Kann das überhaupt funktionieren? Ich fahre am Sonntag hin, bleibe zwei Tage, schaue mir das alles an und schreibe für die WELT am SONNTAG auf, was es damit auf sich hat.

Ungarn: Der Entwurf der neuen Verfassung liegt vor

… wenn auch bisher nur auf ungarisch. Am 15. März soll er ins Parlament eingebracht (und dort dann wohl mit der Zweidrittelmehrheit der nationalkonservativen Regierungskoalition aus Fidesz und Christdemokraten verabschiedet) werden. Was ich über Google-Translator und einigen Tipps von Kennern dieser schwierigen Sprache bisher über den Inhalt herausfinden konnte (wenn ich was falsch verstanden habe, bin ich für jeden Hinweis dankbar): Da ist zunächst eine ziemlich barocke Präambel voller Referenzen auf die 1000-jährige Geschichte Ungarns, auf den heiligen Stephan und die Einheit der ungarischen Nation: Der erste Satz der Verfassung, noch vor der eigentlichen Präambel, lautet „Gott segne die Ungarn“. ... continue reading

Ägypten: Vom Wert einer niegelnagelneuen Verfassung

Es waren zigtausende junge Facebook-Account-Inhaber, die die alte Zeit in Ägypten beendeten. Es ist ein einziger, greiser Verfassungsjurist, der die neue Zeit gestalten soll. Tariq al-Bishri heißt er und soll an der Spitze eines dazu letzte Woche eingesetzten Ausschusses nötige Veränderungen an der Verfassung identifizieren. Noch in dieser Woche soll er Änderungsvorschläge entwerfen, die dann dem Volk zur Abstimmung vorgelegt werden. Das heißt, die neue Verfassung bleibt nominell die alte. Juristisch zählt der Inhalt Von einer strikt verfassungsrechtlichen Warte könnte man jetzt sagen: ist doch egal. Solange der Inhalt der Verfassung sich ändert, solange die undemokratischen Rechtsnormen ausgetauscht werden, ist ... continue reading

„Wir haben den ungarischen Geist aus der Flasche gelassen“

Ungarns Mediengesetz ist also ein kleines bisschen abgeändert worden. Das kann man als Erfolg der EU werten, deren Kontrolle anstelle der nationalen Checks and Balances treten kann, wenn diese versagen. Aber das ist nicht der Punkt. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán hat in dieser Woche – in Deutschland weitgehend unbemerkt – eine Rede zur Lage der Nation gehalten, die manch Interessantes zum Verfassungsprozess in Ungarn enthält. Darin benennt Orban, was es in seinen Augen ist, was da derzeit in Ungarn passiert – nichts weniger nämlich als die Wiedergeburt einer Nation: Wiedergeburt bedeutet, (…) wenn eine Nation die Welt um sich herum ... continue reading

Konservative Verfassungsreform in den USA?

Die US-Verfassung ist in vielerlei Hinsicht einzigartig – nicht zuletzt in ihrer Unreformiertheit: Der Text von 1787 gilt bis heute unverändert. Seit 1791 gab es nur siebzehn Zusatzartikel, davon die meisten historisch datiert wie die Abschaffung der Sklaverei oder die Einführung und Abschaffung der Prohibition. Alle Zusatzartikel sind dabei vom Kongress angestoßen worden. Dass das so bald wieder passiert, ist äußerst unwahrscheinlich: Dazu wäre eine Zweidrittelmehrheit in beiden Kammern nötig. Und das in einer Zeit, wo sich Dems und Reps noch nicht einmal auf die Besetzung von Richterposten geeinigt kriegen. Es gibt aber noch einen anderen Weg: Wenn zwei Drittel ... continue reading

Caudillo-Konstitutionalismus

Kein Kontinent ist freudiger am Werk, wenn es ans Verfassunggeben geht, als Lateinamerika. Unerreichter Spitzenreiter ist die Dominikanische Republik: 32 Verfassungen seit der Staatsgründung 1821. Dann kommt Venezuela mit 26, Haiti mit 24 und Ecuador mit 20 – die letzte davon 2008, stolze 444 Artikel lang und voller wunderbarer Grundrechte wie zum Beispiel dem in Art. 383 niedergelegten Grundrecht auf la ampliación de las condiciones físicas, sociales y ambientales para su disfrute. Das heißt, wenn ich mein Küchenspanisch zusammenkratze, in etwa: auf Vermehrung der physischen, sozialen und umweltmäßigen Bedingungen des Genusses. Bin ich sehr dafür. Ich entnehme diese Zahlen einem ... continue reading