Articles for tag: CompactVereinigungsfreiheitVereinsverbotWehrhafte Demokratie

Warum das Compact-Verbot auf Grundlage des Vereinsrechts ergehen konnte

Um das Compact-Verbot ist eine hitzige Diskussion entbrannt. Die Einschätzungen reichen von legitimem Verfassungsschutz auf der einen bis hin zu verfassungswidrigem Zeitungs- und Medienverbot auf der anderen Seite. Betrachtet man das Vorgehen aus vereinsrechtlicher Perspektive und vergegenwärtigt sich die bisherige Verbotspraxis in vergleichbaren Fällen, bestätigen sich die grundsätzlichen Bedenken nicht.

Vereinsverbote zum Schutze der Menschenwürde

Mit dem Verbot der „COMPACT-Magazin GmbH“ und der „CONSPECT FILM GmbH“ ist nach Ansicht der zuständigen Bundesinnenministerin Nancy Faeser „ein harter Schlag gegen die rechtsextremistische Szene“ erfolgt. Als in der Verfassung vorgesehenes Instrument spricht vieles dafür, Vereinsverbote angesichts der aktuellen Herausforderungen, denen sich der freiheitliche Verfassungsstaat gegenübersieht, verstärkt in den Blick zu nehmen.  Der schlichte Hinweis auf die grundrechtliche Gewährleistung der Meinungs- oder Pressefreiheit, so die These dieses Textes, reicht auch im Kontext von Vereinsverboten nicht aus, um die Schutzmechanismen der streitbaren Demokratie beiseitezuschieben.

Verfassungsfeind in Vorbereitung

Nachdem bereits der Fall „Rechtsreferendar III. Weg“ für Diskussionen um Zugangsvoraussetzungen zum juristischen Vorbereitungsdienst gesorgt hat, tritt mit dem kürzlich ergangenen Beschluss des OVG Berlin-Brandenburg eine weitere gerichtliche Entscheidung mit eigenen Argumentationsansätzen auf den Plan. Das Gericht hatte sich mit der relevanten Frage zu beschäftigen, ob einem Kandidaten die Aufnahme in den juristischen Vorbereitungsdienst verwehrt werden kann, wenn er die Verfassungsordnung aktiv bekämpft, ohne sich dabei strafbar zu machen. Der Beschluss offenbart erneut die unklare und uneinheitliche Rechtsprechungslinie.

Parteiverbotsverfahren zum Schutz vor Rassismus

Die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 13. Mai sind ein Meilenstein in der aktuellen Debatte über den Umgang mit der AfD und wurden häufig als Vorbedingung für ein Parteiverbotsverfahren gesehen. Über die antirassistische Seite der Debatte liest man allerdings wenig. Zum Schutz von Personen, die von Rassismus betroffen sind, scheint ein Verbotsverfahren bei entsprechender Beweislage damit mehr als geboten.

Von frommen Wünschen und dicken Knüppeln

Die Politik einer autoritären Landesregierung wird nicht an den Grenzen des von ihr regierten Bundeslandes haltmachen. Dafür ist das föderale Gefüge der Bundesrepublik viel zu sehr auf Kooperation und Koordination ausgelegt. Wie für einzelne Bürger*innen stellt sich auch für die Bundesländer die Frage, wie sie auf autoritäre Regierungen jenseits der eigenen Landesgrenzen reagieren können.

Die Pflicht zum Demokratieschutz

Wenn über die wehrhafte Demokratie gestritten wird, ist der Ruf nach einer starken Zivilgesellschaft nicht fern. „Verfassungsschutz von unten“, „wehrhafte Demokratie light“, „ziviler Verfassungsschutz“, „intellectual militancy“ oder „konfliktfähige Zivilgesellschaft“ lauten die Forderungen. Fast alle Diskussionsbeiträge der laufenden Debatte haben gemeinsam, dass sie die Zivilgesellschaft in die Pflicht nehmen. Dabei ist es der Staat, der primär in die Verantwortung genommen werden muss. Sowohl Verfassungsrecht als auch Unionsrecht konkretisieren eine staatliche Pflicht zum Demokratieschutz. Entsprechend ist es staatliche Aufgabe, zivilgesellschaftliche Räume zu stärken und zu schützen.

Why Party Bans Often Don’t Work

In July 2008, in an intensely debated and enormously consequential case, Turkey’s Constitutional Court weighed whether to close the ruling Justice and Development Party (AKP) and ban its 71 leading members, including then-Prime Minister Recep Tayyip Erdoğan. Six of the eleven justices voted in favor – falling just one vote short of the super-majority required to dissolve the AKP and bar its leaders from politics for five years. More than 15 years after the AKP closure case, Turkey has experienced significant democratic backsliding, and Erdoğan has secured a third term as president, extending his tenure in office into 2028. Although the tools of “militant democracy” may be useful, the Turkish case suggests that targeted legal interventions, rather than sweeping party bans, may be more effective at safeguarding democracy.

Still Alive?

Party banning was developed in Spain in 2002, with the aim of combating the terrorism of ETA (1958-2018), an extreme left-wing and separatist Basque organisation that murdered more than 800 people. This instrument proved useful in defeating the terrorist group and its network of support organisations, including several parties. Today, there are strong separatist or pro-independence movements in Catalonia, the Basque Country and, to a lesser extent, Galicia, and other regions. Faced with this, there are parties that have proposed using the mechanism of banning parties. But is this viable, and would it be useful?

A Limping Militant Democracy

Images of hundreds of men gathering outside the former headquarters of the Italian post-fascist party (Movimento Sociale Italiano – MSI), giving the Roman salute in Acca Larentia (Roma) on the 8th of January 2024, have sparked numerous controversies in Italy. The Roman salute was paired with the Fascist ritual of the “roll call”, whereby a leader calls out the name of a fallen soldier and his comrades shout “presente!”. While one would expect the President of the Senate, facing an incident that stirred political controversy, to reason in more institutional terms rather than strictly legally, La Russa was partially correct in stating that the current Italian legal framework is (still) not sufficiently clear and coherent on the matter.

Dilemma Demokratieschutz

Ein Dilemma zeichnet sich durch einen Entscheidungszwang zwischen mehreren Varianten aus, ohne dass es eine unzweifelhaft richtige Lösung gibt. In ein Dilemma scheint auch die Abwehr des „Autoritären Nationalradikalismus“ der AfD zu führen. Die AfD zu verbieten, um ihre auf Destabilisierung gesellschaftlicher und staatlicher Institutionen und „Systemwechsel“ angelegte Politik zu unterbinden, wäre ebenso misslich wie die Augen vor ihrer Gefährlichkeit, ihren Erfolgen und Wahlaussichten zu verschließen und allein auf die demokratische Resilienz der Bevölkerung zu vertrauen.