Bundesrat zum Homo-Diskriminierungsschutz: Provinziell und beschämend

Koch, Brender, Jung, VdLeyen, Köhler – über all die im Doppelsinn aufregenden Personalmeldungen könnte man glatt übersehen, dass heute der Bundesrat die Stadtstaaten-Initiative zum Diskriminierungsverbot gegenüber Homo- und Transsexuellen und Transgender gekillt hat. Dieses Votum ist ein Grund zum Schämen. Genau wie die Begründungen, die sich die Provinzinnenminister dazu einfallen haben lassen. Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. So steht es in Art. 3 III GG. Wer einen Hessen wegen seines Dialekts diskriminiert, ... continue reading

Wie der EuGH unsere Sorgen zerstreut

Auf meine Anfrage wegen des nahezu unter Ausschluss der Öffentlichkeit gefällten EuGH-Urteils Kommission/Spanien, C-154/08, habe ich jetzt eine Antwort bekommen. Zur Erinnerung: Der EuGH hat erstmals einen Mitgliedsstaat wegen einer Vertragsverletzung verurteilt, die auf einem höchstrichterlichen Urteil beruht. Diese Konstellation ist in zweierlei Hinsicht extrem brisant: Erstens kommt damit der verurteilte Mitgliedsstaat in eine böse Zwickmühle, da er die Vertragsverletzung kaum stoppen kann, ohne die Unabhängigkeit der Justiz anzutasten. Zweitens krachen damit europäische und nationale Justiz ungebremst gegeneinander: Daraus kann ein veritabler Verfassungskonflikt entstehen, und zwar durchaus auch bei uns. Wenn etwa das Bundesverfassungsgericht demnächst in Sachen Vorratsdatenspeicherung oder Altersdiskriminierung ... continue reading

Ein EuGH-Urteil und viele bange Fragen…

Was tun mit EU-rechtswidrigen Gerichtsurteilen? Wir hatten neulich das EuGH-Urteil Kommission/Spanien hier im Verfassungsblog, dessen Verständnis mir meine lückenhafte Beherrschung der französischen Sprache erschwert hat. Offenbar stellt das Urteil auch Leute mit besserem Einblick vor Rätsel – und zwar vor Rätsel von eher beunruhigender Art. Drüben bei Adjudicating Europe sorgt sich Pescatorius über die Implikationen des Urteils: Immerhin, hält er/sie fest, hat der EuGH darin zum ersten Mal ein Land in einem Vertragsverletzungsverfahren wegen eines Gerichtsurteils verurteilt. No minor deed, I must say. Indeed not. Das ist ein ziemlich heftiger Vorgang, wie bereits neulich dargestellt. AE fragt zu Recht, warum ... continue reading

Noch eine ungewöhnliche Stellenausschreibung

Der Kreis Pinneberg sucht in einer Stellenanzeige in der FAZ einen Landrat: „Gesucht wird eine Persönlichkeit mit Führungserfahrung, wünschenswert ist ein abgeschlossenes Fach- oder Hochschulstudium.“ Mancher glaubt, dass der Witz der Demokratie darin besteht, dass die Entscheidungsträger per Wahl besetzt werden, dass sich mehrere Kandidaten mit unterschiedlichen Programmen bewerben und der, der die Mehrheit für sich gewinnt, daraus die Legitimation für die Umsetzung dieses Programms bezieht. Wie naiv. Dass sich die Parteien schwer tun, für Wahlämter auf lokaler oder regionaler Ebene Kandidaten zu finden, vor allem, wenn die Chancen auf einen Wahlsieg nicht groß sind, war mir schon länger bekannt. ... continue reading

Die postheroische EU

Leichtgewichtig, unbekannt, glanzlos, introvertiert, unerfahren – das Urteil der Eurobloggosphäre über das Van Rompuy/Ashton-Ticket fällt ziemlich einhellig vernichtend aus.  Ich will da gar nicht widersprechen. Aber ein kleiner ketzerischer Gedanke: Zeigt sich in dem Gipfelergebnis nicht einmal mehr, dass wir mit unserer Sehnsucht nach starken Führungspersonen an der Spitze der EU, nach einem, der sagt, wo es langgeht, nach einem in die alte Welt gespiegelten Amerika, mit einem Wort: nach der EU als STAAT!!! eben halt doch nun mal leider auf dem falschen Dampfer sind? Temperamentvoller und entrüsteter Widerspruch erwünscht.

EGMR-Richterstelle zu besetzen. Jemand interessiert?

Das ist doch mal ein interessantes Jobangebot in diesen Zeiten: Die deutsche Richterstelle am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wird frei. Renate Jaegers Amtszeit läuft am 31. 10. 2010 ab. Jetzt ruft das Bundesjustizministerium alle Interessierten auf, sich für den Posten zu bewerben. Sonst werden Richterposten dieser Art und Güte als Politikum behandelt und ihre Besetzung im Hinterzimmer ausgekartelt. Ist das jetzt nur ein Stück transparenzpolitisches Windowdressing oder steckt da möglicherweise tatsächlich die Absicht dahinter, daran was zu ändern? Ich kann’s nicht recht glauben. Aber schaden kann es nicht: Wer über das nach 21 EMRK nötige „hohe sittliche Ansehen“ und entweder ... continue reading

BVerfG stoppt salomonische Sozialrichter

Im einstweiligen Rechtsschutz darf man es als Gericht mit der Suche nach salomonischen Lösungen nicht übertreiben. In dem Fall geht es um einen Arzt, der eine Kassenzulassung zur Methadonbehandlung von 100 Drogenkranken hatte. Die wurde wegen irgendwelcher Unregelmäßigkeiten widerrufen, mit sofortiger Wirkung. Dagegen klagte der Mann und beantragte einstweiligen Rechtsschutz. Tatsächlich, so das LSG Nordrhein-Westfalen, war die Anordnung der sofortigen Wirkung nicht in Ordnung, auch aus formalen Gründen. Das LSG stellte aber keineswegs einfach bloß die aufschiebende Wirkung wieder her, sondern fand eine buchstäbliche 50:50-Lösung: Von den 100 Patienten durfte der Arzt einstweilen 50 weiterbehandeln, 50 nicht. Darüber muss sich ... continue reading

BVerfG: Länder dürfen private Baudenkmäler strafrechtlich schützen

Das Bundesverfassungsgericht sieht nach einem heute veröffentlichtem Beschluss offenbar kein Problem dabei, wenn Bausünder, die denkmalgeschützte Gebäude abreißen, landesrechtlich zu Straftätern gemacht werden. Einen Vorlagebeschluss des AG Meißen, die sächsische Strafvorschrift für verfassungswidrig zu erklären, hat die 2. Kammer des Zweiten Senats für unzulässig erklärt. Denkmalschutz ist Bundessache, und nach § 304 StGB ist nur die Zerstörung eines „öffentlichen Denkmals“ eine Straftat. Nach Ansicht der 2. Kammer lässt sich daraus aber noch nicht schlussfolgern, dass der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz damit abschließend Gebrauch gemacht habe: Öffentliche Denkmäler seien für die Öffentlichkeit (zumindest eingeschränkt) zugänglich und damit besonders gefährdet. Das rechtfertige ... continue reading

Europaparlament und Fünf-Prozent-Hürde

Auch bei den Europawahlen gibt es eine Fünf-Prozent-Hürde. Warum eigentlich? Die Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten: Die Hürde wird damit gerechtfertigt, dass das Parlament die Regierung wählt und eine stabile Regierungsmehrheit durch Splitterparteien im Parlament schwerer herzustellen wäre. In Europa gibt es dagegen so etwas wie eine „Regierungsmehrheit“ überhaupt nicht. Der Bestsellerautor und als Staatsverfallskassandra einschlägig bekannte Professor Hans-Herbert von Arnim hat neben einigen anderen gegen die Europawahl Einspruch eingelegt: Die Fünf-Prozent-Hürde sei verfassungswidrig und genüge den neuerdings viel strengeren Maßstäben des BVerfG an die Wahlrechtsgleichheit nicht mehr. Im Prinzip leuchtet mir auch nicht recht ein, was ... continue reading

Tschechiens Lissabon-Urteil

Drüben bei Adjudicating Europe gibt es das Urteil vom 3. November auszugsweise auf Englisch – hoch interessant! Die Kläger haben sich stark auf die Lissabon-Entscheidung unseres Zweiten Senats gestützt. Doch das Brünner Gericht hat den Karlsruher Kollegen eine Menge zu sagen. Da ist zum einen der Punkt, dass das Bundesverfassungsgericht Politikmaterien definiert, die nicht auf die europäische Ebene übertragen werden dürfen. Zitiert nach AE: It reminds that in its [Lisbon Treaty I judgment] the Constitutional Court stated that “these limits should be left primarily to the legislature to specify, because this is a priori a political question, which provides the ... continue reading