Verfassungs-Barbarei in Budapest

Dass die Ungarn gerade im Begriff sind, in ihrem Land die Pressefreiheit abzuschaffen, ist bekannt. Weniger bekannt ist, was sonst noch so passiert im Verfassungsrecht der Magyaren. Da bleibt nämlich gerade kein Stein auf dem anderen. Buchstäblich. Und das ist nicht allein das Problem der Ungarn, sondern verheißt für alle Europäer nichts Gutes. Darüber hat mich gestern eine höchst verdienstvolle Veranstaltung an der Berliner Humboldt-Uni aufgeklärt. Christian Boulanger vom Law & Society Institute hatte zwei ungarische Rechtswissenschaftler eingeladen: Kriszta Kovácz, Beraterin des Präsidenten des ungarischen Verfassungsgerichtshofs, und Gábor Attila Tóth von der Universität Debrecen, früher ebenfalls am Verfassungsgerichtshof als Berater ... continue reading

Failed State mitten in Europa

Belgien, der Failed State mitten in Europa, ist ohne Aussicht, auf absehbare Zeit eine demokratisch legitimierte Regierung zu bekommen. Und das ist noch nicht einmal das Irrste. Das Irrste ist, dass das außer den Finanzmärkten keinen Menschen groß aufzuregen scheint. Die Belgier kommen offenbar ganz gut zurecht mit diesem Zustand. Sie werden zwar von Leuten regiert, die sie nicht gewählt haben. Aber da nach innen die Flamen und Wallonen die Kompetenzen ohnehin fast alle regionalisieren, empfinden sie das offenbar als nicht weiter schlimm. So much for nationale Selbstbestimmung Sogar die EU-Ratspräsidentschaft haben sie mit dieser Nicht-Regierung ohne demokratisches Mandat einigermaßen ... continue reading

Zu viel Geschichten, zu wenig Geschichtsschreibung

Wie kann es sein, dass einer Haus und Hof und sein gesamtes Hab und Gut verkaufen, verschenken oder vererben kann? An einen Wildfremden womöglich? Und was wird aus der Familie? Aus Frau, Söhnen, Töchtern, anderen Verwandten? Darf der das? Nur, weil der das so will? Das soll Recht sein? Sich mit Rechtsgeschichte zu befassen heißt, im scheinbar Selbstverständlichen das Unwahrscheinliche, das Enorme zu erkennen. Das, was heute Recht ist, ist es meist irgendwann erst geworden. Wie hat sich das zugetragen, und warum? Welche historische Situation hat die Ausdifferenzierung eines bestimmten Rechts erzwungen oder, je nachdem, behindert? Rechtsgeschichte ist eine juristische ... continue reading

EuGH pfeift erneut Transparenzbemühungen der EU zurück

Schon wieder hat der EuGH der Kommission und dem Rat bei ihrem Versuch, dem Vorwurf der Intransparenz Taten entgegenzusetzen, in die Kniekehlen getreten. Vor ein paar Wochen erst die Informationsfreiheit (Bavarian Lager). Jetzt die Agrarbeihilfen. Die Bürokraten wollen Transparenz, aber die Richter lassen sie nicht. Verkehrte Welt, könnte man meinen. Es geht um die Regel, dass jeder Bauer, der Zahlungen der EU erhält, mit Namen, Wohnort und empfangenen Betrag im Internet veröffentlicht wird. Das ist nicht besonders angenehm für die Landwirte: Ihr Geld kommt nicht selten zum überwiegenden Teil aus Brüssel. Und jetzt kann jeder missgünstige Nachbar ganz konfortabel mit ... continue reading

Roma in Europa: Unser großes unerkanntes Civil-Rights-Issue

Wie Roma in Europa behandelt werden, ist ein verfassungspolitisches Thema ersten Ranges. Dieses Factsheet des EGMR, auf das ich heute gestoßen bin, zeigt das eindrucksvoll. Wir haben die komplette Palette: Straf-, polizei-, familienrechtliche Diskriminierung, Zwangssterilisation, Segregation in Schulen bis hin zu Vorfällen, die regelrecht genozidale Züge tragen. Man liest, hört und redet viel zu wenig darüber in Deutschland. Nächste Woche wird der Europarat dazu eine Ministerkonferenz abhalten. Mit von der Partie: EU-Justizkommissarin Viviane Reding, die Unerschrockene, die Sarkozy nach seiner Anti-Roma-Kampagne so knüppelhart eingeschenkt hat. Und eine üble Gestalt namens Pierre Lellouche, Europa-Staatssekretär in der Regierung Sarkozy, der zuletzt mit ... continue reading

Jobverlust mit 65 geht alterdiskriminatorisch in Ordnung

Am 65. Geburtstag verliert man seinen Job. Der Arbeitsvertrag endet automatisch. Denn dann soll man in Rente gehen. So steht es in vielen Tarifverträgen, und so ist das seit Menschengedenken in Deutschland üblich. Es hatte ja auch die längste Zeit niemand etwas dagegen. Wer geht schon gerne arbeiten, wenn man auch einen immerwährenden Urlaub mit schönem monatlichem Scheck der BfA genießen kann. Für viele sieht die Welt indessen heute anders aus. Die Rente reicht nicht, man muss sowieso weiter arbeiten gehen. Aber den Job, den man hatte – den ist man, Tarifvertrag sei Dank, erst mal los. Wenn das keine ... continue reading

Versicherungen dürfen ihre Welt nicht in Männlein und Weiblein sortieren

Da wird die FAZ morgen wieder fauchen. Juliane Kokott, die unerschrockene Generalanwältin beim Europäischen Gerichtshof, plädiert dafür, die Richtlinie 2004/113 zum Verbot von Diskrimierungen aus Gründen des Geschlechts zu kippen – weil sie diskriminierend sei aus Gründen des Geschlechts. Es geht um das ewige Streitthema Versicherungsverträge: Dürfen Versicherungen unterschiedliche Leistungen und Prämien anbieten, je nachdem, ob man männlichen oder weiblichen Geschlechts ist? Muss ein Mann mehr für eine Kfz-Versicherung zahlen als seine Frau, nur weil statistisch Männer mehr Unfälle bauen als Frauen? Darf eine Risikolebensversicherung von Frauen höhere Beiträge verlangen, nur weil statistisch Frauen eine höhere Lebenserwartung haben? Verschwurbelter Scheinkompromiss ... continue reading

Eigentumsschutz für „digitale Vorlagen“

Richterliche Zurückhaltung ist eine Zier. Sie zeugt von Respekt vor dem demokratisch gewählten Gesetzgeber und umsichtiger Kenntnis der eigenen, prekär legitimierten politischen Macht. Sie ist das Gegengewicht zu der Befugnis der Justiz, die Entscheidungen des Gesetzgebers nötigenfalls zu korrigieren. Das Bundesverfassungsgericht ist nicht dafür bekannt, in dieser Hinsicht besonders zimperlich zu sein. Neu ist aber, dass es jetzt auch andere oberste Bundesgerichte in bemerkenswert schroffem Ton auffordert, es ihm gleichzutun. Der heute veröffentlichte Kammerbeschluss zur urheberrechtlichen Geräteabgabe haut dem I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs seine Rechtsprechung zur so genannten Geräteabgabe mit einer Brutalität um die Ohren, die ihresgleichen sucht. Dessen viel ... continue reading

Der kleine Nick und die Lächerlichkeit

Der kleine Nick hat richtig Mist gebaut. Die strenge Lehrerin Viviane Reding staucht ihn erbarmungslos zusammen. Er greint und heult, aber das hilft ihm überhaupt nichts. Er zeigt auf seinen dicken Kumpel neben ihm: Der sei doch auch dabei gewesen! Aber der schüttelt nur stumm den Kopf. Und dann traut sich sogar der Hilfslehrer José Manuel Hühnerbrüh, noch mal richtig laut zu werden. Armer kleiner Nick. Ich sehe nicht, wie sich Sarkozy von dieser geballten Dosis Peinlichkeit, die ihm da in Brüssel verabreicht wurde, jemals wieder erholen soll. Der kleine Supersarko mit der sexy Frau, der immer am schrillsten Kikeriki ... continue reading