Den Terror aushungern

Ehefrauen von Terrorverdächtigen dürfen keine Sozialhilfe bekommen. Weil damit könnten sie ja Lebensmittel einkaufen. Und daraus ein Mittagessen kochen. Und das ihrem Mann vorsetzen. Darf nicht sein. Es fällt nicht leicht, das zu glauben, aber einer heute ergangenen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zufolge war genau dies die Sichtweise der britischen Regierung. Das wird sich jetzt ändern müssen, denn der EuGH sieht das doch ein bisschen anders. Im Januar 2002 beschloss der UN Sicherheitsrat, dass alle Personen mit Verbindungen zu Taliban oder Al-Kaida auf eine Liste kommen und ihr gesamtes Vermögen eingefroren wird. Wer auf dieser Liste landet, soll keinen ... continue reading

Ein Denkmal durch Grundstücksteilung wertlos machen zieht nicht

Ein Baudenkmal zu erben, kann eine ziemliche Last sein: Im Extremfall kann man mit dem Grundstück nichts anfangen, weil das Denkmal drauf steht, zu dessen Erhaltung man obendrein auch noch richtig viel Geld ausgeben muss. Art. 14 II Grundgesetz sieht bekanntlich vor, dass Eigentum verpflichtet und sein Gebrauch zugleich dem Wohle der Allgemeinheit zu dienen hat. Dazu gehört auch der Denkmalschutz. Die Sozialbindung endet erst, wenn mit dem Grundstück wegen des Denkmals überhaupt nichts mehr anzufangen ist. Das Bundesverfassungsgericht hat in einer heute veröffentlichten Entscheidung den Versuch einer Handvoll Schlosserben abgewehrt, sich durch Herbeiführung dieses Zustands der Sozialbindung und damit ... continue reading

US Supreme Court: Ist eine Petitions-Unterschrift Privatsache?

Direkte Demokratie ist so schön unmittelbar. Da sind keine Repräsentanten dazwischen, die paternalistisch meine Angelegenheiten für mich regeln und mich von meinen eigenen politischen Anliegen entfremden. Nein, da bin ich selber mitten drin im politischen Entscheidungsprozess. Das ist ja das Tolle. Das dachten bestimmt auch die Unterzeichner einer Petition im US-Staat Washington. Dort gilt ein ziemlich liberales Homo-Ehe-Gesetz, und dagegen wollte eine nicht sehr appetitliche, aber ziemlich effiziente Organisation namens Project Marriage Washington das Volk mobilisieren. Mit Erfolg: Die Leute unterschrieben zu Zehntausenden auf den Parkplätzen vor WalMart und Target und erzwangen so ein Referendum über das Gesetz (das am ... continue reading

Google-Löscher: Deutschland auf Rang 2

Google hat ein neues Tool online gestellt: Government Requests. Das Tool zeigt an, welche Länder in 2009 wie oft Userinformationen angefordert haben bzw. Inhalte gelöscht haben wollten. Überraschung: Bei den Löschanfragen liegt Deutschland auf Rang 2. Nach Brasilien. Und ein ziemliches Stück vor Indien und den USA. 94 Prozent der Anfragen wurden auch umgesetzt. Das Gros davon bezog sich auf Suchergebnisse und YouTube-Videos. Nur offizielle Anfragen wurden gezählt, also keine privaten Urheber-Anfragen, kopierte YouTube-Filme vom Netz zu nehmen. Warum sind das bei uns so viel mehr als anderenorts?

US-Tierporno-Urteil: Nur gucken, nicht anfassen

Tierschutz ist schön und wichtig. Aber die Meinungsfreiheit ist wichtiger. Der US Supreme Court hat in seinem gestrigen Urteil US vs. Stevens ein Bundesgesetz gekippt, das das Herstellen, den Vertrieb und den Besitz von Tierquäl-Videos verbietet und unter Strafe stellt. Argument: Free Speech. Der Gesetzgeber dürfe zwar Tierquälerei verbieten. Aber die Abbildung von Tierquälerei nicht (jedenfalls nicht in solcher Breite). Das Argument, der Schutz für freie Rede müsse mit den sozialen Kosten der jeweiligen Rede abgewogen werden, ließ Chief Justice Roberts, der das Urteil verfasst hat, nicht gelten: Man könne nicht einfach bestimmte Dinge, die jemand sagt, vom Schutz der ... continue reading

Ossi-Urteil des ArbG Stuttgart: Eure Ethnie sei deutsch

Das Arbeitsgericht Stuttgart hat entschieden, dass eine abgelehnte Bewerberin aus Ostdeutschland sich auch dann nicht auf das Antidiskriminierungsgesetz berufen kann, wenn sie wegen ihrer Herkunft als „Ossi“ abgelehnt wurde. Argument: Verboten sei nur eine Diskriminierung wegen ethnischer Herkunft. Und die Ostdeutschen seien ja wohl keine eigene Ethnie, oder? Auf den ersten Blick scheint das auf der Hand zu liegen: Wir sind doch alle Deutsche, ob aus Bayern oder aus Brandenburg. Das ist unsere ethnische Herkunft, was sonst. Auf den zweiten dagegen deutlich weniger. Was heißt überhaupt ethnisch? Ethnische Herkunft ist kein einfacher Begriff. Was ist damit gemeint? Schon mal auf ... continue reading

Der Papst, ein immunes Staatsoberhaupt?

Im Skandal um pädophile Priester und den massenhaften Missbrauch von Kindern schwappt gegenwärtig eine Frage hoch, die auf den ersten Blick überhaupt nicht zum Thema gehört: Wann ist etwas ein Staat? Das hat mit der Absicht zweier berühmter britischer Buchautoren und höchst glaubenseifriger Atheisten, Richard Dawkins und Christopher Hitchens, zu tun, den Papst bei seinem Großbritannien-Besuch im September verhaften zu lassen. Der letzte absolute Monarch Mal ganz abgesehen, ob der Plan strafrechtlich Hand und Fuß hat – der Papst genießt Immunität. Denn er ist Oberhaupt eines Staates. Eines sehr winzigen Staates zwar, des kleinsten der Welt: 44 Hektar ist er ... continue reading

Theokraten sind keine Demokraten, auch wenn sie an Wahlen teilnehmen

Aus den Niederlanden erreicht uns diese erbauliche Nachricht: Eine theokratische Extremistenpartei, die einen calvinistischen Gottesstaat anstrebt, muss Frauen auf ihren Wahllisten zulassen – und der niederländische Staat hat dies durchzusetzen. Und zwar auf Grundlage der UN-Frauenrechtskonvention. Dies hat der Hoge Raad, das oberste Gericht des Landes, entschieden. Die  „Staatkundig Gereformeerde Partij“ (Politische Reformpartei) ist zwar winzig, aber immerhin im beiden niederländischen Kammern sowie im Europaparlament vertreten. Sie ist auch die älsteste Partei des Landes, 1918 gegründet. Ihre Website ist am Sonntag nicht erreichbar, denn am siebten Tage sollst du ruhen, und das gilt auch fürs WWW. UN-Frauenrechtskonvention Die Entscheidung (sofern ... continue reading

Der Bundesrat, mein am wenigsten geliebtes Verfassungsorgan

Der Bundesrat hat kurz vor Ostern zum ersten Mal von einer wichtigen neuen Lissabon-Errungenschaft Gebrauch gemacht: Seinem blitzeblanken neuen Recht nämlich, angebliche Verletzungen des Subsidiaritätsprinzips durch geplante EU-Rechtsakte zu rügen. Die Länderkammer hat sich dafür die geplante EU-Richtlinie zur Schutzanordnung ausgesucht. Dabei geht es um Opfer von Straftaten, die ihre Peiniger mit gerichtlichen Verfügungen auf Abstand halten, um nicht erneut zum Opfer gemacht zu werden – Musterfall ist die verprügelte Ehefrau, die ihren gewalttätigen Mann daran hindern will, ihr erneut zu nahe zu kommen. Solche Schutzanordnungen gibt es überall, aber sie gelten nur im jeweiligen Mitgliedsstaat. Wenn die Ehefrau im ... continue reading