Apropos Diskriminierung: Fotografen und Free Speech

Eugene Volokh beblogt gerade ein weiteres aktuelles Diskriminierungsurteil, aus dem man eine Menge lernen kann: Es stammt von einem Gericht aus New Mexico und betraf einen Fotografen, der sich weigerte, eine Homo-Hochzeit zu fotografieren, und sich dabei auf Free Speech berief: Er dürfe nicht gezwungen werden, seine künstlerische Freiheit gegen seinen Willen auszuüben. Könne er doch, sagen die Richter aus New Mexico: Hochzeitsfotografen verbreiten keine eigene Botschaft, sondern die ihrer Kunden, daher könne von Compelled Speech keine Rede sein. Mit dem gleichen Argument kann man auch PR-Agenturen, Grafikdesigner und andere Freiberufler zwingen, Aufträge anzunehmen, die sie aus welchen Gründen auch ... continue reading

UK Supreme Court: Wer ist Jude und wer nicht?

Der britische Supreme Court hat gestern ein Urteil gefällt, das es in sich hat: Mit fünf zu vier Stimmen haben die Richter ein Urteil bestätigt, wonach die Londoner „Jewish Free School“ mit ihren Auswahlkriterien gegen das Verbot rassischer Diskriminierung verstößt. Denn nach diesen Kriterien ist nur der ein Jude, dessen Mutter Jüdin ist oder nach orthodoxem Ritus zum Judentum konvertiert ist. Geklagt hatte ein Junge, der den jüdischen Glauben praktiziert, dessen Vater unumstritten Jude ist und dessen Mutter, ursprünglich eine katholische Italienerin, zum Judentum konvertiert war – allerdings in nicht-orthodoxer Weise. Die Schule hatte daraufhin den Jungen als Nicht-Juden qualifiziert ... continue reading

Schweiz: Diktatur der Mehrheit

57 Prozent der Schweizer stellen den Muslimen ihres Landes verfassungsrechtlich den Stuhl vor die Tür. Sie machen die Grundrechte ihrer Verfassung auf Glaubensfreiheit (Art. 15 I, II) und Schutz vor religiöser Diskriminierung (Art. 8 II) bedenkenlos kaputt, weil sie es für wichtiger halten, ihre nationale Toblerone-Identität rein und sauber zu halten. 52 Prozent der Kalifornier kicken das Recht von Schwulen und Lesben, in ihrer sexuellen Identität genauso anerkannt und respektiert zu werden wie Heteros auch, aus ihrer Verfassung: Die enthält künftig den Satz, dass nur Ehen zwischen Mann und Frau „valid or recognized in California“ sein können. Was haben diese ... continue reading

Bundesrat zum Homo-Diskriminierungsschutz: Provinziell und beschämend

Koch, Brender, Jung, VdLeyen, Köhler – über all die im Doppelsinn aufregenden Personalmeldungen könnte man glatt übersehen, dass heute der Bundesrat die Stadtstaaten-Initiative zum Diskriminierungsverbot gegenüber Homo- und Transsexuellen und Transgender gekillt hat. Dieses Votum ist ein Grund zum Schämen. Genau wie die Begründungen, die sich die Provinzinnenminister dazu einfallen haben lassen. Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. So steht es in Art. 3 III GG. Wer einen Hessen wegen seines Dialekts diskriminiert, ... continue reading

Lebenslang ist nicht unmenschlich

Das deutsche Strafrecht ist menschenrechtskonform. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat die Klage eines Dreifach-Mörders zurückgewiesen, der mehr als 20 Jahre nach seiner Verurteilung in einem deutschen Gefängnis einsitzt und offenbar wenig Aussicht hat, jemals freizukommen. Da dabei dennoch eine Überprüfung rechtlich möglich sei, liege keine Verletzung von Art 3 EMRK („Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden“) vor, so der EGMR laut Pressemitteilung.

Israels Oberstes Gericht verbietet private Gefängnisse

Hessens MP Roland Koch fand das bekanntlich eine prima Idee: Leute einsperren gleichsam als Dienstleistung, die der Staat bei privaten Unternehmern einkauft. Jetzt hat der Oberste Gerichtshof von Israel dergleichen als Verstoß gegen die Grundrechte der Gefangenen untersagt. Das Urteil gibt es nur auf hebräisch, aber laut JURIST-Blog verletzt die Übertragung der Rechtsdurchsetzungsgewalt auf profitorientierte Unternehmen the constitutional rights to personal freedom and human dignity rooted in Israel’s Basic Law: Human Dignity and Freedom. Auf der Website des israelischen Obersten Gerichtshof steht als Motto ein Vers aus Jesaia I: „Zion will be redeemed with justice, and her captives with righteousness.“ ... continue reading

EGMR-Richterstelle zu besetzen. Jemand interessiert?

Das ist doch mal ein interessantes Jobangebot in diesen Zeiten: Die deutsche Richterstelle am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wird frei. Renate Jaegers Amtszeit läuft am 31. 10. 2010 ab. Jetzt ruft das Bundesjustizministerium alle Interessierten auf, sich für den Posten zu bewerben. Sonst werden Richterposten dieser Art und Güte als Politikum behandelt und ihre Besetzung im Hinterzimmer ausgekartelt. Ist das jetzt nur ein Stück transparenzpolitisches Windowdressing oder steckt da möglicherweise tatsächlich die Absicht dahinter, daran was zu ändern? Ich kann’s nicht recht glauben. Aber schaden kann es nicht: Wer über das nach 21 EMRK nötige „hohe sittliche Ansehen“ und entweder ... continue reading

USA: Lebenslang für Jugendliche – Ende einer barbarischen Strafrechtspraxis?

Die USA sind das einzige Land der Erde, dessen Justizsystem lebenslange Haftstrafen für Jugendliche ohne Aussicht auf Bewährung zulässt. Das könnte sich jetzt ändern – zumindest wenn es nämlich um Nicht-Tötungsdelikte geht. Der US Supreme Court hat heute über die Frage verhandelt, ob diese Bestrafung „cruel and unusual“ ist, was nach dem Eigth Amendment der US-Verfassung verboten wäre. Es geht um zwei Fälle, beide aus Florida, beide keine Kleinigkeiten, zugegebenermaßen: Joe Sullivan hatte mit 13 eine ältere Dame vergewaltigt. Terrance Graham hatte mit 16 einen Raubüberfall begangen und mit 17 gegen seine Bewährungsauflagen verstoßen. Immerhin: kein Mord, kein Totschlag. Beide ... continue reading