Dagegen sein
Über Versammlungsfreiheit, Allgemeinverfügungen und Felsbrocken, die das Verwaltungsrecht schmeißt und das Verfassungsrecht trifft
Notstandsverfassungsrecht und Krisenregierung für alle Formen außergewöhnlicher Umstände. Umfasst verfassungsrechtliche Rahmen für Ausnahmezustände, Kriegsbefugnisse, Finanzkrisen, Pandemien, Naturkatastrophen und andere Krisensituationen, die außergewöhnliche staatliche Reaktionen erfordern. Umfasst verfassungsrechtliche Regulierung von Notstandsbefugnissen, Krisenmanagement und verfassungsrechtliche Kontinuität während Notlagen jeglicher Art.
Über Versammlungsfreiheit, Allgemeinverfügungen und Felsbrocken, die das Verwaltungsrecht schmeißt und das Verfassungsrecht trifft
Wir alle haben die Nase voll von der Pandemie. Je erschöpfter wir sind, desto dringender ist der Wunsch nach einem Wundermittel, das der Pandemie ein Ende bereitet. Doch Impfpflichten sind verfassungsrechtlich nur in engen Grenzen zulässig. In der aktuellen Situation werden diese engen Grenzen verfehlt. Eine Impfpflicht ist kein verfassungsrechtlich zulässiger Weg aus der Pandemie.
Viele Verwaltungsgerichte haben vor dem allgemeinen Nichtwissen über COVID-19 und planlosen behördlichen Maßnahmen zunächst kapituliert. Es gelang ihnen nur selten, die Versammlungsfreiheit vor einem Substanzverlust zu schützen. Bis heute sind grundsätzliche verfassungsrechtliche Fragen nicht geklärt. Doch schwierige Rechtsfragen über zwei Jahre hinweg als schwierig zu bezeichnen und deshalb nicht zu beantworten, ist in einem Rechtsstaat nicht akzeptabel.
Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass Art. 3 III 2 GG gesetzliche Vorkehrungen zum Schutz behinderter Menschen vor Diskriminierung bei einer Corona-Triage verlangt. Vor allem stellt die Entscheidung klar, dass Art. 3 III 2 GG, wie alle Grundrechte, auch objektive Wertentscheidung und Schutzauftrag ist – ein Schutzauftrag, der sich zu einer gesetzgeberischen Schutzpflicht verdichten kann.
Der Gesetzgeber soll das Unregelbare regeln. Jedenfalls partiell. Mit seiner Triage-Entscheidung hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts der Legislative aufgegeben, Vorkehrungen zum Schutz vor Benachteiligungen Behinderter im Rahmen überlastungsbedingter intensivmedizinischer Behandlungstriagierungen zu treffen.
Die Triage muss parlamentsgesetzlich geregelt werden. Das folgt aus dem Beschluss des BVerfG vom 16.12.2021 (1 BvR 1541/20). Das Gericht hat zwar explizit nur entschieden, dass der Gesetzgeber eine Benachteiligung aufgrund einer Behinderung in einer Triage-Situation ausschließen muss. Allerdings wird sich eine darauf gerichtete Regelung nur in ein allgemeines Triage-Gesetz sinnvoll einpassen lassen. Außerdem lässt sich auch im Lichte der Gründe des Beschlusses gleichsam extrapolieren, dass eine umfassend angelegte Triage-Gesetzgebung jedenfalls für den Pandemiefall verfassungsrechtlich geboten ist.
Im vorgeschlagenen Nachtragshaushalt 2021 des Bundes verschiebt die neue Ampel-Koalition zur Bewältigung der Corona-Pandemie erteilte Kreditermächtigungen, um damit Zukunftsinvestitionen zu finanzieren. Damit steuert die Koalition sehenden Auges in die Verfassungswidrigkeit.
Das abstrakte Prinzip, es sei gerecht, dass jedermann die Konsequenzen seiner freien und eigenverantwortlichen Entscheidungen selbst zu tragen hat, klingt an sich nicht unplausibel. Jedenfalls fallen einem leicht Umstände ein, in denen man das Prinzip gern in Anspruch nehmen würde. Der Fall eines Impfunwilligen, der auf die Intensivstation eingewiesen wird, ist dazu aus mehreren Gründen nicht analog.
Mit ihrer ersten Änderung des IfSG im November hat die Ampel-Koalition Schulschließungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie für die Zukunft ausgeschlossen. Vor dem Hintergrund steigender Infektionszahlen haben einige Bundesländer in den letzten Tagen jedoch angekündigt oder überlegt, dieses Jahr die Weihnachtsferien um einige Tage vorzuziehen oder im Januar zu verlängern. Damit sind Folgen verbunden, die ein Überdenken der aktuellen Regelung im IfSG notwendig machen: Denn während Schulschließungen nach dem IfSG in der Sache Distanzunterricht bedeuten, fällt der Unterricht in den „Corona-Ferien“ aus.
Wenn infolge der COVID-Pandemie nicht mehr alle lebensbedrohlich Erkrankten intensivmedizinisch versorgt werden können, drängt sich die Frage auf, ob deren Impfstatus bei Auswahlentscheidungen einbezogen werden dürfte. Ich werde mich im Folgenden dafür aussprechen.