Domesticating the Word: Articulations of a Violent Past

  Tonight, Anthropologist Alejandro Castillejo Cuéllar (2011-2012 Rechtskulturen Fellow at Humboldt University Law School) will talk in Recht im Kontext’s Rechtskulturen Colloquium about the role that the articulation of a violent past, through different mechanisms, has in creating or reinforcing not only diverse forms of historical silence but also different ways of engaging the prospect of an imagined new society. His paper mainly deals with these questions in a series of transitional scenarios (South Africa, Colombia, and to a lesser extent Peru) in which testimonies of war were part of larger truth-seeking process. „Despite their differences (historically and sociologically), there is ... continue reading

Ein neues Grundgesetz: Warum eigentlich nicht?

Die Gründung der Vereinigten Staaten von Europa ist mit dem Grundgesetz nicht zu machen. Diese Position hat das BVerfG in der Maastricht-Entscheidung vorbereitet, in der Lissabon-Entscheidung ausgesprochen und in der Euro-Rettungsschirm-Entscheidung fortgeführt: Die EU institutionell in die Lage zu versetzen, mit der Schulden- und Eurokrise fertig zu werden, scheitert an Art. 38 und 20 I, weil jeder Deutsche darauf klagen kann, dass alle Staatsgewalt vom Volk und zwar vom deutschen Volk ausgeht. Und daran kann auch der verfassungsändernde Gesetzgeber nichts ändern, weil Art. 79 III, die bekannte „Ewigkeitsklausel“, das verbietet. Ergo: Da geht es nicht weiter. Ende Gelände. Muss man ... continue reading

Verfassungsaltäre in allen ungarischen Rathäusern

Viktor Orbán lässt nichts unversucht, seine Nation zu nötigen, sich die ihr von ihm aufgezwungene neue Verfassung zu eigen zu machen. Seit 1. September muss in allen Rathäusern im Lande dem dubiosen Dokument eine Art Altar errichtet werden: ein glasbelegter Tisch nebst Stuhl in einem eigenen Raum, dekoriert in den grün-weiß-roten Landesfarben, und bewacht von einem eigens dafür abgestellten öffentlichen Bediensteten. Das ist eine super Idee. Man sollte alles dafür tun, dass die in ihrer Überzahl völlig säkularen Ungarn merken, dass sie dank Orbáns Tatkraft gerade kollektiv ein „nationales Glaubensbekenntnis“ abgelegt haben. Aus irgendeinem Grund sieht die Verwaltungsanweisung offenbar vor, ... continue reading

Libyen: Vom Schleier der Unwissenheit

Die Ära Gaddhafi scheint sich tatsächlich ihrem Ende zuzuneigen. Es gibt auch schon einen Entwurf des rebellischen nationalen Übergangsrats für eine Übergangsverfassung, und darin findet sich in Art. 29 (und in Art. 33 merkwürdigerweise nochmal) folgende bemerkenswerte Klausel: The members of the Transitional National Council, of the interim government and of the local councils may not nominate or assume the positions of the President of the state, the membership of the legislative councils and ministerial portfolios. Das heißt, dass die Helden der Revolution, die gerade Gaddhafi stürzen und das neue Libyen gründen, in demselben keinerlei politische Rolle spielen dürfen. Das ... continue reading

Utopia im Nordatlantik

Dieser Artikel ist heute in der „Welt“ erschienen. Auf einer fernen Insel, weit im Norden, sturmumtost, mit Eispanzern bedeckt und von Vulkanschlünden zerrissen, lebte einst ein Volk, das sich kümmerlich von der Schafzucht und vom Fischfang nährte. Sie waren schwere Zeiten gewohnt, Hungersnöte und Fremdherrschaft, bis sich ihr Los mit einem Mal zu wenden schien: Reiche und mächtige Nationen wollten mit ihnen Handel treiben, wollten ihren Fisch, wollten ihren Strom und wollten die Zinsen, die ihre Banken zahlten. Und Geld floß zuhauf in die Taschen der Inselbewohner, ihr Leben wurde bunt und lustig. Sie gingen zum Shoppen nach Manhattan statt ... continue reading

Islands Volks-Verfassung ist fertig

Die 25 direkt gewählten Volksvertreter sind trotz der knappen Zeit rechtzeitig fertig geworden und übergeben heute das Ergebnis ihrer Arbeit dem Parlament. Zu finden ist es hier. Nach erster oberflächlicher Lektüre finde ich nichts, was ich nicht vernünftig finde. Es wird nicht leicht für die Konservativen, diesen Entwurf als Makrameearbeit wohlmeinender Politikamateure zu verleumden. Die Klausel zur Informationsfreiheit, die zum Schutz der natürlichen Ressourcen, das Verbot von Diskriminierung nach Genotyp – das geht weit, aber nicht zu weit und ist nichts, womit ein moderner Staat nicht zurechtkommen können sollte (soweit ich nicht durch die Rührei-Übersetzung etwas falsch verstanden habe). Die ... continue reading

Ungarn: Orbán verdoppelt seinen Einsatz

Viktor Orbáns Versuch, seine Macht konstitutionell abzusichern, geht weiter: Das Verfassungsgericht und das Wahlrecht sind die jüngsten Angriffsziele, und in beiden Punkten gibt es Beunruhigendes zu berichten. Ich beziehe meine Informationen aus einem E-Mail-Wechsel landeskundiger Politologen und Juristen, allen voran Kim Lane Scheppele aus Princeton und Andrew Arato von der New School in New York. Leichenschändung an der alten Verfassung Zunächst zum Verfassungsgericht: Der Plan, das Gericht zu vergrößern und die neuen Posten mit Gefolgsleuten zu besetzen, ist mittlerweile umgesetzt. Dabei hatte es Orbán offenbar besonders eilig: Weil die neue Verfassung, die die Vergrößerung des Gerichts vorsieht, erst zum Jahreswechsel ... continue reading

Ist Papandreou ein De Gaulle oder ein Bonaparte?

Dass Griechenland mitten in einer Revolution steckt, weiß jeder, der in den letzten Wochen den Fernseher angemacht hat. Aber die Demonstranten vom Syntagma-Platz sind nicht die ganze Geschichte. Die Frage, die ich mir stelle: Welche Rolle spielt dabei der Regierungschef Georgios Papandreou? Papandreou hat kürzlich angekündigt, im Herbst das Volk über eine Verfassungsreform abstimmen zu lassen. Wie genau er sich diese Reform vorstellt, ist noch nicht bekannt. Aber dass das politische System des Landes so nicht bleiben kann, liegt nach dem beispiellosen Desaster, das es angerichtet hat, auf der Hand. Wenn ich aber in die Verfassung hineinschaue, dann steht da ... continue reading

Ungarn bekommt ein vernichtendes Zeugnis vom Europarat

Jetzt ist es offiziell: Die künftige ungarische Verfassung genügt nicht den Maßstäben, die man in Europa an demokratische und rechtsstaatliche Verfassungen anlegt. Die Venice Commission, die über die verfassungspolitische Entwicklung der Mitgliedsstaaten des Europarates wacht, hat heute ihre Entscheidung über die Causa Ungarn veröffentlicht. Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Viktor Orbán hat keinen Grund zur Zufriedenheit. Und alle anderen in Europa schon sowieso nicht. Im März hatte die ungarische Regierung versucht, der Venice Commission ein Bein zu stellen: Noch bevor es überhaupt einen Entwurf der neuen Verfassung gab, legte sie ihr drei (eher randständige) Fragen vor. Die bekam sie auch beanwortet, ... continue reading

Islands Verfassungs-Crowdsourcing

Island, die krisengeschüttelte Insel im Nordmeer mit ihren 300.000 Einwohnern, erneuert seine Verfassung, und zwar auf eine ziemlich einzigartige Weise: total transparent, total partizipativ, alle dürfen mitreden, alles ist öffentlich, die Partei- und Fraktions-Mächtigen halten sich total raus. Klingt wie eine Mischung aus Thomas Morus, Solon von Athen und Elterninitiativkindergarten. Kann das überhaupt funktionieren? Ich fahre am Sonntag hin, bleibe zwei Tage, schaue mir das alles an und schreibe für die WELT am SONNTAG auf, was es damit auf sich hat.