Die Grenzen der Menschenrechte: Venice Academy of Human Rights 2012

Vom 9. bis 18. Juli wurde im alten Kloster San Nicolò auf dem Lido in Venedig über Menschenrechte und ihre Grenzen diskutiert. Die Organisatoren der Sommerakademie hatten hierfür einige große Namen des Völkerrechts und der Politischen Theorie  sowie Praktiker im Bereich des internationalen Menschenrechts- bzw. Flüchtlingsschutzes eingeladen – ein Wermutstropfen war die kurzfristige Absage von Seyla Benhabib. Auf die Vorlesungen und Seminare von vier der Vortragenden wird im Folgenden näher eingegangen werden. Die Kritik: Martti Koskenniemi Den Auftakt machte Martti Koskenniemi mit einer Vorlesung über Völkerrechtsgeschichtsschreibung und Eurozentrismus – und verschiedene Ansätze, diesem Problem zu begegnen. Damit war bereits der ... continue reading

Rethinking the Politics of International Criminal Justice: Zehn Jahre nach dem Inkrafttreten des Römischen Statuts

  Heute vor zehn Jahren, am 1. Juli 2002, trat das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs in Kraft. In New York tagte zeitgleich die Vorbereitungskommission („PrepCom“) des ICC in ihrer letzten Sitzung, und die Stimmung der Delegierten beim Festakt am Hauptsitz der Vereinten Nationen war überschwänglich – nicht zuletzt bei den vielen anwesenden Vertreterinnen und Vertretern der NGOs, die auf der Konferenz von Rom und in deren Nachgang eine neue Qualität der Beteiligung an internationalen Rechtssetzungsprozessen erlebten und ermöglichten. Unerwartet schnell waren nach nach der Konferenz  von Rom die erforderlichen Ratifikationen zusammengekommen. Manches sieht man heute nüchterner, viele Erwartungen an ... continue reading

TWAIL 3.0: Indien, die Juristerei als Wissenschaft und das internationale Recht

Leider verschoben werden musste neulich der Berlinbesuch des Völkerrechtlers Antony Anghie, der nun voraussichtlich im Herbst 2012 bei Rechtskulturen über die von ihm vertretenen „Third World Approaches to International Law“ (TWAIL) sprechen wird. Diskutiert haben wir darüber trotzdem jetzt schon mal. In einem spannenden kleinen Roundtable Seminar mit Anne Orford, die auch die Rechtskulturen Lecture in diesem Semester hielt, stellte sich anläßlich einer Präsentation der Berliner Juristin und Islamwissenschaftlerin Nahed Samour die Frage, ob gegenwärtig womöglich in verschiedenen  Rechtskulturen der (vermeintlichen) „Peripherien“ die Herausbildung einer „Dritten Generation“ von Völkerrechtlern und Völkerrechtlerinnen bzw. mit Begriffen des Rechts argumentierenden politischen Aktivisten beobachtet ... continue reading

Modern Imperialism and the Secularisation of International Law

On Monday, 19 March, historian, philosopher and lawyer Mark Somos (2011-2012 Rechtskulturen Fellow at Humboldt University Law School) will talk in Recht im Kontext‘s Rechtskulturen Colloquium about Modern Imperialism and the Secularisation of International Law. His paper deals with „the forgotten contingency of secularisation“: One reason why we fail to prevent and resolve both domestic and international conflict is that Western political and legal concepts are not only secular, but were designed to be blind to religion. The primary obstacle to preventing conflict is persistent, but rectifiable ignorance of history. From the fourth to the seventeenth century, Christian theology underpinned all ... continue reading

Domesticating the Word: Articulations of a Violent Past

  Tonight, Anthropologist Alejandro Castillejo Cuéllar (2011-2012 Rechtskulturen Fellow at Humboldt University Law School) will talk in Recht im Kontext’s Rechtskulturen Colloquium about the role that the articulation of a violent past, through different mechanisms, has in creating or reinforcing not only diverse forms of historical silence but also different ways of engaging the prospect of an imagined new society. His paper mainly deals with these questions in a series of transitional scenarios (South Africa, Colombia, and to a lesser extent Peru) in which testimonies of war were part of larger truth-seeking process. „Despite their differences (historically and sociologically), there is ... continue reading

Konfiktbereitschaft schafft Vertrauen

Dieser Artikel ist heute in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erschienen. Von Maximilian Steinbeis Das Bundesverfassungsgericht ist die Institution, dem die Deutschen am meisten vertrauen. Dieses Vertrauen nimmt gelegentlich Züge innigster Verehrung an, vor allem in diesen Tagen, da es anlässlich seines 60. Geburtstags gelegentlich sogar als „Gnadenort“ und „Wunder von Karlsruhe“ (Heribert Prantl) in die Sphäre des Numinosen erhoben wird. Wissenschaft dient, anders als mancher Journalismus, der Aufklärung, und so wehte denn auch bei einer Konferenz von Politologen und Verfassungsjuristen an der Berliner Humboldt-Universität letzten Freitag zum Thema „Verfassungsgerichtsbarkeit in politischen Transformationsprozessen“ ein spürbar kritischerer Geist. Das Bundesverfassungsgericht hat keine ... continue reading

Politessenbeschimpfung ist auch für Abgeordnete strafbar

Es tut mir ja leid, aber immer, wenn in diesem Blog von Italien die Rede ist, gleitet die Sache ins Unernsthafte ab. Fern sei mir jede nationale Stereotypisierung. Wahrscheinlich liegt’s an mir. Diesmal geht es um die Immunität des Abgeordneten: das alte und vornehme Recht der Bürgervertreter im Parlament, nicht wegen ihrer schonungslosen Kritik an der Regierung von deren Schergen aus dem Bett geholt zu werden. Dieses Recht wollte ein italienischer Europaabgeordneter der Berlusconi-Truppe namens Aldo Patriciello für sich in Anspruch nehmen: Er hatte sich auf einem Parkplatz in der Nähe seiner Wohnung mit einer dort Strafzettel verteilenden Poliziotta herumgezankt ... continue reading

Libyen: Vom Schleier der Unwissenheit

Die Ära Gaddhafi scheint sich tatsächlich ihrem Ende zuzuneigen. Es gibt auch schon einen Entwurf des rebellischen nationalen Übergangsrats für eine Übergangsverfassung, und darin findet sich in Art. 29 (und in Art. 33 merkwürdigerweise nochmal) folgende bemerkenswerte Klausel: The members of the Transitional National Council, of the interim government and of the local councils may not nominate or assume the positions of the President of the state, the membership of the legislative councils and ministerial portfolios. Das heißt, dass die Helden der Revolution, die gerade Gaddhafi stürzen und das neue Libyen gründen, in demselben keinerlei politische Rolle spielen dürfen. Das ... continue reading

Mexiko macht Völkerrecht zu Verfassungsrecht

Die UN-Menschenrechtsdeklaration und andere völkerrechtliche Verträge mit Menschenrechtsbezug  haben künftig in Mexiko Verfassungsrang. Eine entsprechende Änderung der mexikanischen Verfassung ist soeben in Kraft getreten. Damit können Menschenrechtsverletzungen aller Art per Verfassungsbeschwerde vor den Obersten Gerichtshof gebracht werden. Obendrein gilt das Urteil in solchen Verfahren nicht mehr nur, wie bisher, inter partes, sondern generell. Ob damit Mexiko zum Menschenrechtsparadies wird, ist allerdings noch lange nicht gesagt, aber immerhin: Ein solch starkes Statement aus dem Nachbarstaat der USA zur Universalität und unmittelbaren Geltung der Menschenrechte ist schon bemerkenswert. Wenn es das bei uns gäbe, dann könnten beispielsweise Kinder mit Behinderungen in Ländern, ... continue reading

Muammar al-Gaddafi, der Achtundsechziger

Ich habe aus gegebenem Anlass mal ein bisschen im „Grünen Buch“ herumgelesen, der Politbibel des libyschen Diktators Gaddafi, die in Libyen als Verfassungsersatz dient (noch). Das ist ohne Zweifel ein extrem schräger Text. Aber trotzdem interessant: Im ersten Teil, betitelt „Die Lösung des Problems der Demokratie“, präsentiert Gaddafi eine Demokratie- nun ja -theorie, die ich mal so zusammenfasse: Parlamente und Parteien taugen wg. Repräsentation überhaupt nicht dazu, die Herrschaft („instrument of governing“) in die Hände des Volkes geben. Auch Plebiszite nicht, weil das Volk nur Ja oder Nein sagen kann. Wahre Demokratie kann niemals repräsentativ sein. In Libyen brennt die ... continue reading