10. April 2010

Maximilian Steinbeis

Theokraten sind keine Demokraten, auch wenn sie an Wahlen teilnehmen

Aus den Niederlanden erreicht uns diese erbauliche Nachricht: Eine theokratische Extremistenpartei, die einen calvinistischen Gottesstaat anstrebt, muss Frauen auf ihren Wahllisten zulassen – und der niederländische Staat hat dies durchzusetzen. Und zwar auf Grundlage der UN-Frauenrechtskonvention.

Dies hat der Hoge Raad, das oberste Gericht des Landes, entschieden.

Die  „Staatkundig Gereformeerde Partij“ (Politische Reformpartei) ist zwar winzig, aber immerhin im beiden niederländischen Kammern sowie im Europaparlament vertreten. Sie ist auch die älsteste Partei des Landes, 1918 gegründet. Ihre Website ist am Sonntag nicht erreichbar, denn am siebten Tage sollst du ruhen, und das gilt auch fürs WWW.

UN-Frauenrechtskonvention

Die Entscheidung (sofern ich das Google-Translate-Kauderwelsch, das mir Zugang zu Pressemitteilung und Urteil verschafft, richtig deute) gründet sich auf die UN-Frauenrechtskonvention: Das Oberste Gericht erklärt diese für direkt anwendbar. Die Konvention verpflichte ohne Ermessensspielraum den Staat dazu, dafür zu sorgen, dass Frauen in allen Parteien auf die Wahllisten kommen können.

Die Religions- und die Vereinigungsfreiheit, so das Gericht weiter, garantieren zwar die Freiheit, sich politisch zu organisieren, um die eigenen religiösen oder sonstigen Überzeugungen zur Geltung zu bringen. Aber wenn es um die Wahl demokratischer Vertretungsorgane geht und um das gleiche Recht, daran aktiv oder passiv teilzunehmen, dann sei „het hart von de democratie“ berührt und hätten diese Grundrechte zurückzustehen.

Theokratinnen, zum Selbstwiderspruch gezwungen

Die SGP findet die Entscheidung „onbegrijpelijk“ und prüft jetzt eine Beschwerde zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

Ehrlich gesagt, ich mag Theokraten genauso wenig wie the next guy. Aber onbegrijpelijk finde ich die Entscheidung auch.

Diese Partei ist der Zusammenschluss von Männern, die den Staat nach den Geboten der Bibel bzw. dem, was sie dafür halten, gestalten wollen und für dieses Ziel um Stimmen werben. Zu diesen angeblichen Geboten gehört, dass Frauen keine öffentlichen Ämter wahrnehmen.

Das ist bescheuert, ungerecht, skandalös und niederträchtig. Aber das ist nunmal, wofür diese Typen gewählt werden wollen.

Mal ein kleines Gedankenexperiment: Mal angenommen, diese Partei beschließt jetzt, dass selbstverständlich auch Frauen auf ihren Listen kandidieren können. Aber dass ihre Kandidaten allesamt unterschreiben müssen, dass sie die Überzeugung teilen, dass Frauen kraft biblischen Gebots nicht für öffentliche Ämter kandidieren dürfen.

Wäre dann alles in Ordnung?

Die Kandidatur von Frauen wäre dann faktisch genauso ausgeschlossen wie vorher auch. Eine Frau, die sich um einen Listenplatz bewirbt, müsste sich in einen unauflöslichen Selbstwiderspruch begeben.

Man kann als Frau der Überzeugung sein, dass Frauen nichts in öffentlichen Ämtern verloren haben. Es gibt bestimmt sogar viele Frauen, die dieser Überzeugung sind. Aber man kann sich nicht als Frau für diese Überzeugung wählen lassen. Deshalb ist der Fall auch nicht mit dem der British National Party vergleichbar, die bis vor kurzem nur Weiße als Mitglieder zuließ und unter Berufung auf Antidiskriminierungsrecht gezwungen wurde, ihre Statuten zu ändern.

Das Experiment zeigt, dass man theokratischen Parteien auf diese Weise nicht beikommen kann. Das Problem ist nicht, dass sie ihre Ziele auf undemokratische Weise verfolgen, sondern dass ihre Ziele selbst undemokratisch sind.

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