31. März 2014

Maximilian Steinbeis

Transatlantischer Investitionsschutz in der Kritik: Ein Online-Symposium des Verfassungsblogs

Das Stichwort Investitionsschutz hat sich in der Öffentlichkeit zu einem regelrechten Reizthema entwickelt – ausgelöst vor allem durch die Verhandlungen zum so genannten Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaftsabkommen (TTIP) zwischen EU und USA. Um auf die wachsende öffentliche Kritik zu reagieren, hat die EU-Kommission am 27. März 2014 eine öffentliche Online-Konsultation eröffnet. Dies nehmen wir zum Anlass für ein Online-Symposium, in dem Völker-, Europa- und Staatsrechtler_innen zu dem Konsultationsdokument der Kommission kritisch Stellung nehmen werden.

Zwar gibt es neben dem Investitionsschutz auch andere Aspekte des TTIP (und anderer EU-Handelsabkommen), die kontrovers diskutiert werden, aber die investitionsschutzrechtlichen Vorschriften sind momentan die strittigsten Teile eines möglichen Abkommens. Ein Kapitel zum Investitionsschutz würde – wie die meisten bilateralen Investitionsschutzverträge – ausländischen Investoren ermöglichen, staatliche Maßnahmen durch ein (ad hoc eingerichtetes) internationales Schiedsgericht auf ihre Vereinbarkeit mit vertraglichen Investitionsschutzstandards überprüfen zu lassen und hohe Schadensersatzzahlungen einzuklagen. Die Klage des schwedischen Konzerns Vattenfall gegen das deutsche Atomausstiegsgesetz auf der Grundlage des Investitionsschutzkapitels im Energiecharta-Vertrag hat die Wirkungsweise derartiger Klagerechte besonders deutlich gemacht.

Bilaterale Investitionsschutzverträge lagen bis 2009 in der Kompetenz der Mitgliedstaaten. Der Vertrag von Lissabon hat diese Kompetenz jedoch (zu einem großen Teil) auf die EU übertragen, so dass die EU neben Handelsabkommen nunmehr auch für Investitionsschutzabkommen zuständig ist. Derzeit verhandelt die EU mit einer Reihe von Staaten (darunter Kanada, USA, China) über Investitionsschutzabkommen oder Investitionsschutzkapitel in Freihandelsabkommen.

Das System des internationalen Investitionsschutzrechts wird seit einigen Jahren von Nichtregierungsorganisationen kritisiert, da es ausländischen Investoren Sonderrechte gegenüber einheimischen Unternehmen und gegenüber dem Gaststaat einräumt. Mit Blick auf das TTIP haben die kritischen Stimmen zugenommen. Jüngst hat sich sogar die Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium, Brigitte Zypries, gegen Investorenschutz im TTIP ausgesprochen. Inwieweit dies eine offizielle Position der Bundesregierung ist, die im Rat noch im Juni letzten Jahres der EU-Kommission ein Verhandlungsmandat erteilte, das ausdrücklich auch den Investitionsschutz umfasst, ist unklar.

Die EU-Kommission will im Rahmen des Konsultationsprozess offenbar Kritik zerstreuen und beklagt,  dass es „eine Reihe von Missverständnissen und sogar Falschdarstellungen bezüglich der Ziele, die im Rahmen der TTIP-Verhandlungen mit der Investor-Staat-Streitbeilegung verfolgt werden“ gegeben habe. Die Konsultation soll auf der Grundlage eines ausgearbeiteten Textes mit spezifischen Fragen zum EU-Modell des Investitionsschutzes durchgeführt werden. Zur Konkretisierung dieses Modells enthält das Dokument Auszüge aus dem Investitionsschutzkapitel, das mit Kanada im Rahmen des Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA) ausgehandelt wurde. Die Nummerierung und die Formatierung der Vorschriften lassen jedoch vermuten, dass der relevante Vertragstext noch nicht endgültig finalisiert wurde. Die CETA-Auszüge werden mit Vorschriften, die angeblich üblicherweise in Investitionsschutzverträgen zu finden seien, kontrastiert, um so die Weiterentwicklung des EU-Modells gegenüber klassischen Investitionsschutzabkommen zu illustrieren. Um das EU-Modell umfassend zu bewerten, wäre ein kohärenter Textentwurf erforderlich gewesen. Es bietet sich daher an, auch auf einige der „geleakten“ Textentwürfe zurückzugreifen, auch wenn deren Aktualität oder Authentizität nicht überprüfbar ist (hier und hier).

Wir werden in den kommenden Wochen auf diesem Blog ein Online-Symposium zum Investitionsschutz im TTIP veranstalten. Wir haben über zwanzig deutschsprachige Völker-, Europa- und Staatsrechtler_innen gebeten, die Kommissionsvorschläge kritisch zu analysieren und zu bewerten. Wir hoffen,  die öffentliche Debatte durch fundierte und zugleich pointierte wissenschaftliche Einschätzungen zu bereichern.

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