4. Januar 2013

Maximilian Steinbeis

Ungarn hat doch noch ein Verfassungsgericht

Das ungarische Verfassungsgericht ist nach der Beschneidung seiner Kompetenzen durch die neue Verfassung und nach dem durchgezogenen Court-Packing-Scheme der Regierung Orbán nur noch ein Schatten einer selbst – aber offenbar ein immer noch funktionstüchtiger Schatten. Das zeigt die heutige Entscheidung, das Wählerregistrierungsgesetz zu kippen.

Zu den Hintergründen hier und hier.

Der Pressemitteilung zufolge (das Urteil liegt offenbar nur auf ungarisch vor) hat das Gericht an drei Dingen Anstoß genommen:

Da ist erstens die Regelung, dass sich auch innerhalb der ungarischen Landesgrenzen ansässige Wähler künftig spätestens 14 Tage vor der Wahl registrieren lassen müssen. Die Opposition hatte das als Versuch der Fidesz-Regierung gebrandmarkt, sich Wahlvorteile zu verschaffen. Für das Verfassungsgericht ausschlaggebend war aber, dass es überhaupt keinen verfassungsrechtlich validen Grund für diese Einschränkung des Wahlrechts erkennen konnte.

Das macht einen schon mal sprachlos. Nicht unverhältnismäßig, nicht unnötig, nicht ungeeignet – nein, es ist schon gar nicht erst ein Zweck erkennbar, um dessentwillen das Grundrecht eingeschränkt werden muss. Mir fällt ad hoc kein anderes Beispiel eines Urteils dieser Art ein.

Denn das lässt eigentlich nur noch zwei Schlüsse zu: Entweder handelt die Regierung ohne Sinn und Verstand – oder traut sich ihre wahren Gründe nicht zu nennen.

Außerdem findet das Gericht den Ausschluss von Leuten ohne Adresse von der Wahl disrkiminierend. Dazu steht nur ein dürrer Satz in der Pressemitteilung. Man denkt natürlich gleich an Diskriminerung von Roma.

Drittens nimmt das Gericht Anstoß an den Einschränkungen, die das Gesetz in den Tagen vor der Wahl der Veröffentlichung politischer Werbespots und dem Abhalten von Meinungsumfragen auferlegt. Die griffen unverhältnismäßig in die Meinungs- und die Pressefreiheit ein.

Schreibe einen Kommentar