1. Juli 2010

Maximilian Steinbeis

Von betrunkenen Autofahrern und müden Checklisten-Abhakern

Das Bundesverfassungsgericht hat wieder einmal ein Landgericht daran erinnern müssen, dass der Richtervorbehalt  nicht nur zu Dekorationszwecken in der Strafprozessordnung steht.

Es ging um eine betrunkene Autofahrerin, die von der Polizei zur Blutentnahme mit aufs Revier genommen wurde. Eine richterliche Entscheidung dazu gab es nicht, und das fand das LG Nürnberg-Fürth auch ganz in Ordnung so, weil sonst  die Beweissicherung gefährdet gewesen wäre – wofür es im konkreten Fall aber offenbar überhaupt keinen Anhaltspunkt gab, außer dass der Richtervorbehalt halt generell kollossal nervt.

Von Verfassungs wegen ist sicherzustellen, dass die Fachgerichte den ihnen vorliegenden Einzelfall prüfen und nicht aus generellen Erwägungen den Richtervorbehalt „leer laufen“ lassen,

mahnt die 1. Kammer des Zweiten Senats die Nürnberger Landrichter.

Der Richtervorbehalt nervt in der Tat kollossal, das kann ich schon verstehen. In 99 von 100 Fällen ist er eine reine Routineübung, eine bürokratische Pirouette, die keinem Beteiligten irgendetwas bringt. Und gerade deshalb ist die Gefahr groß, dass im 100. Fall, wo tatsächlich etwas faul ist, keiner hinschaut. Das Dilemma kennt man von allen möglichen Security- und Compliance-Regularien, wo es seitenlange Checklisten gibt, deren Abhaken so sehr zur Routine wird, dass man am Ende weniger achtgibt statt mehr.

Aber solange niemand eine bessere Idee hat, wie man den 100. Fall in den Griff bekommt, muss es jemand geben, der dem Mann mit der Checkliste auf die Finger haut, wenn er zu schlampen anfängt. Und das wäre in unserem Fall das Landgericht gewesen. Das jetzt halt selber was auf die Finger bekommt.

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