Bonn ist nicht Weimar, schrieb Fritz René Allemann in den 50er Jahren. Der Satz ist längst zum Gemeinplatz geworden. Die Debatte, ob die Bundesrepublik das gleiche Schicksal ereilen würde wie ihr Weimarer Vorgänger, hat zwar nach 60 Jahren stark an Intensität nachgelassen. Aber das Weimarer Anti-Vorbild ist immer noch omnipräsent im verfassungspolitischen Diskurs, ob es um die Direktwahl des Bundespräsidenten geht oder um das Selbstauflösungsrecht des Bundestages (ob zu Recht oder nicht, ist eine andere Frage).

Jetzt wird der Weimar-Vergleich aber in einem Land gezogen, von dem ich das in meinen kühnsten Träumen nicht vermutet hätte: im Land der ältesten demokratischen Verfassung der Welt, in den USA. Und zwar von Sandy Levinson, dem Doyen der liberalen US-Verfassungsrechtsgelehrten, der schon öfter mit überaus düsteren Visionen zur verfassungspolitischen Zukunft der Vereinigten Staaten auf sich aufmerksam gemacht hat.

Ein handlungsunfähiges, blockiertes Parlament, das im Land nur noch Verachtung erfährt. Eine Regierung, die sich (notgedrungen) immer mehr ihrer parlamentarischen Fesseln entledigt, um überhaupt noch etwas gebacken zu bekommen. Eine mächtige rechte politische Bewegung, die den Hass auf Minderheiten schürt. Eine wachsende Sehnsucht nach einem Militär, der in der Politik für Ordnung sorgen soll.

Schon klar, bei manchen von Levinsons Vergleichen, oder eigentlich bei allen, stellt es uns deutschen Lesern die Nackenhaare auf. Petreaeus als Hindenburg, Obama als Brüning, Gingrich als Hitler? Please…

Aber als Befund, für wie kaputt maßgebliche Teile des US-Verfassungsdiskurses die Situation im eigenen Land halten, ist das schon interessant.

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