4. Januar 2010

Maximilian Steinbeis

ZDF-Verfassungsurteil durch staatsrechtsprofessorale Aufopferung

Wir hatten neulich anlässlich des Dramas um Koch, Brender und das ZDF gegrübelt, wie dieser verfassungsrechtlich ziemlich offenkundig zum Himmel stinkende Fall nach Karlsruhe kommen soll.

Das schien gar nicht so einfach: Dem normalen Fernsehzuschauer fehlt der nötige Rechtsanspruch, in welchem ihn politisch beeinflusste Personalentscheidungen beeinträchtigen könnten. Dem ZDF fehlen die nötigen Eier. Und den Grünen fehlen offenbar die nötigen Verbündeten im Bundestag, um das Quorum für einen Normenkontrollantrag zu erreichen.

Jetzt scheint der Rostocker Medienrechtler Hubertus Gersdorf aber einen Weg gefunden zu haben, eine verfassungsrichterliche Klärung zu erzwingen: Indem er einfach seine GEZ-Gebühren nicht mehr zahlt. Soll das ZDF doch klagen, so sein Kalkül. Am Ende des Instanzenzugs steht der Weg nach Karlsruhe offen, und dort wird man schon einen Weg finden, bei der Gelegenheit die Frage der Staatsnähe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mitzubeantworten.

Die materiellen Fragen mal beiseite – irre ich mich oder nehmen solche inszenierten Verfahren zur Klärung rechtspolitisch umstrittener Fragen zu? Das Mangold-Urteil des EuGH kommt einem natürlich gleich in den Sinn, wo zwei Rechtsanwälte so taten, als würden sie einander wegen ihres Alters diskriminieren, nur um in Luxemburg die EG-Rechtswidrigkeit von Altersdiskriminierung feststellen lassen zu können – bekanntlich mit ziemlich desaströsen Folgen (wofür die beiden Rechtsanwälte nichts können).

In den USA gibt es das öfter, dass politisch motivierte Versuche, das Recht umzugestalten, sich hinter vermeintlichen Grundrechtsklagen Einzelner verstecken, zuletzt etwa die von der Waffenindustrie betriebenen Second-Amendment-Klagen gegen die Regulierung des Waffenbesitzes. Aber das ist nicht ganz vergleichbar mit Inszenierungen, wo bewusst ein Verwaltungsakt oder ein Urteil provoziert wird, um eine politisch umstrittene Frage höchstrichterlich klären zu lassen.

Ich will ja nicht spießig sein. Aber ist das in Ordnung, auf diese Weise die Justiz politisch zu instrumentalisieren? Zumal in diesem speziellen Fall womöglich ohnehin schon von allen Seiten inszeniert wird, dass einem der Kopf schwirrt. Was, wenn der Professor Gersdorf in dieser Inszenierung nicht Regisseur, sondern Marionette wäre? Wolfgang Hoffmann-Riem, soeben aus dem Ersten Senat ausgeschieden und in punkto Medienrecht mit wahrhaftig allen Hunden gehetzt, hat öffentlich den Verdacht geäußert, Koch habe mit der Brender-Nummer nichts anderes im Sinn gehabt, als einen Prozess in Karlsruhe zu provozieren, samt Urteil, in dem die Richter der Politik den Rundfunkstaatsvertrag um die Ohren hauen – auf dass diese dann in aller Ruhe sich einen neuen Staatsvertrag zimmern kann, bei dem das ZDF unterm Strich bestimmt nicht besser weg kommt, aber niemand kann behaupten, die Politik sei schuld.

Was wäre das? Ein Stück aus dem Kasperltheater.

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